Der seit Monaten schwache Dollar-Kurs gegenüber dem Euro setzt deutschen Unternehmen spürbar zu. Zahlreiche Konzerne rechnen mit deutlich niedrigeren Gewinnen im zweiten Quartal und mit einer anhaltenden Belastung durch das für sie ungünstige Währungsverhältnis.
Ende Februar kostete der Euro noch rund 1,05 Dollar, es gab sogar Stimmen, die eine Parität der Währungen erwarteten. Doch das Gegenteil ist eingetreten: Seit dem Androhen hoher US-Zölle im März schwächelt die US-Währung, aktuell kostet ein Euro 1,17 Dollar – das bedeutet eine Aufwertung des Euros um 14 Prozent.
Betroffen sind davon vor allem große, auslandsstarke Unternehmen. „Im Dax sind das fast alle“, sagt Jörg Held, Leiter Portfoliomanagement bei der Fondsgesellschaft Ethenea. Er warnt, dass die Dollar-Schwäche „zum messbaren Gewinnkiller wird“. Denn die Belastung durch die Währungskonstellation wird aus Sicht vieler Experten vorerst nicht verschwinden.
Die Ergebnisse der Unternehmen geraten gleich zweifach unter Druck: Produkte exportorientierter Firmen wie etwa $P911 (+2,29 %) Porsche werden teurer, wenn ihr Preis in Dollar umgerechnet wird. Ihre Wettbewerbsfähigkeit wird geschwächt, weil Konkurrenzprodukte von Firmen aus anderen Währungsräumen mit geringeren Wechselkurssprüngen vergleichsweise billiger werden.
„Eine zehnprozentige Aufwertung des Euros schmälert auf Jahressicht das Gewinnwachstum europäischer Unternehmen um drei bis fünf Prozentpunkte“, kalkuliert der Chefanlagestratege der Deutschen Bank , Ulrich Stephan.
- BASF
$BAS (+1,31 %) hat seine Prognose für 2025 um acht Prozent zurückgenommen und erwartet jetzt einen bereinigten Gewinn zwischen 7,3 und 7,7 Milliarden Euro. Schon im zweiten Quartal drückten Währungseffekte das Ergebnis. Der negative Ergebniseffekt resultiert vor allem aus der Umrechnung der im Ausland erwirtschafteten Ergebnisse in Euro. Im Februar rechnete der weltgrößte Chemiekonzern auf Jahressicht noch mit einem Wechselkurs von 1,05 Dollar pro Euro. Jetzt geht BASF von 1,15 Dollar aus.
- SAP $SAP (+0,44 %) sieht durch die Entwicklung der Wechselkurse einen „signifikanten Gegenwind in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung in diesem Jahr“, wie Finanzchef Dominik Asam sagt. Jeder Prozentpunkt, mit dem der Dollar abwertet, führt bei SAP zu einem Verlust von etwa einem halben Prozentpunkt beim Wachstum.
- Wacker Chemie
$WCH (+0,3 %) erwartet, dass das aktuelle Wechselkursniveau anhalten wird. Die Faustregel im Konzern lautet: Eine Abwertung des Dollars gegenüber dem Euro von einem Dollar-Cent wirkt sich ohne Absicherung mit rund minus drei Millionen Euro im Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen aus.
Analysten erwarten Effekte durch den schwachen Dollar bei weiteren Dax-Konzernen. So hat JP Morgan gerade die Kaufempfehlung für Airbus-Aktien $AIR (+0,03 %) zurückgezogen, auch weil die Währungsrelation auf die Gewinnmargen drückt. Der Flugzeughersteller produziert hauptsächlich im Euro-Raum, während der Großteil seiner Einnahmen in Dollar anfällt.
Die eigentlichen Profiteure der Dollar-Schwäche sitzen in den USA. So hat der weltgrößte Gesundheitskonzern Johnson & Johnson $JNJ (-0,02 %) gerade seine Prognose für 2025 hochgeschraubt. Das zweite Quartal war stärker als von Analysten erwartet. Im internationalen Geschäft wuchs der Konzernumsatz allerdings nahezu allein durch die positiven Dollar-Auswirkungen.
Die aktuelle Schwäche des Dollars als Weltleitwährung trifft nicht nur Unternehmen, die mit den USA Handel treiben: Alle Unternehmen, unabhängig davon, ob sie nach Asien, Ozeanien, Afrika oder Südamerika exportieren, sind betroffen, denn international werden Zahlungsverkehr und Handelsverträge mehrheitlich immer noch in US-Dollar abgewickelt.
Experten erwarten weitere Abschwächung des Dollars.
“Aus unserer Sicht stehen wir erst am Anfang der Dollar-Baisse“, sagt Laurent Denize, Co-Investmentchef beim Bankhaus Oddo BHF. Viele Banken gehen davon aus, dass demnächst die Marke von 1,20 Dollar pro Euro erreicht werden könnte.
Dafür gibt es mehrere Gründe: der Zoll- und Handelsstreit, die damit verbundene wechselvolle und unberechenbare Politik in den USA, die hohe Neuverschuldung und schließlich die öffentliche Kritik von US-Präsident Donald Trump am Präsidenten der Notenbank Federal Reserve, Jerome Powell. All das untergräbt das Vertrauen in eine verlässliche US-Politik – und: „All das kratzt am Image des US-Dollars“, sagt Devisenexpertin Sonja Marten von der DZ Bank.
Seit Monaten gewinnt die Diskussion über eine mögliche De-Dollarisierung an Dynamik. Damit ist die Debatte darüber gemeint, ob der US-Dollar seinen Nimbus als Weltleitwährung verliert. „Zum ersten Mal seit Langem halten wir diese Diskussion tatsächlich für gerechtfertigt“, sagt Marten. Auf der Suche nach Alternativen zum Dollar werden Investoren ihrer Meinung nach unweigerlich auch in der Euro-Zone landen.
Kommt es dazu, dann gewinnt der Euro weiter an Wert, indem Geld aus Dollar- in Euro-Anlagen fließt.
Der Trend in Richtung Euro dürfte noch dadurch befeuert werden, dass die Europäische Zentralbank nach acht Leitzinssenkungen in den letzten zwei Jahren wohl fast am Ende ihres Zinssenkungszyklus angekommen sein dürfte. An den Finanzmärkten ist nur eine weitere kleine Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte bis zum Ende des nächsten Jahres eingepreist.
Hingegen rechnen Marktteilnehmer in den USA mit vier Zinssenkungen um insgesamt einen Prozentpunkt bis Ende 2026. Das zeigen Daten des Finanznachrichtendiensts Bloomberg. Damit dürfte sich das Zinsniveau zwischen beiden Währungsregionen annähern.
Die Folge: Der bisherige Vorteil für Investoren in den USA, dort mehr Zinsen für ihre Anlagen zu bekommen, würde schwinden. Das machte Dollar-Anlagen künftig (noch) weniger attraktiv und verschaffte im Gegenzug dem Euro weiteres Potenzial – zum Leidwesen exportorientierter und international stark vertretener Unternehmen aus der Euro-Zone.
Quelle (Auszug) & Grafik: Handelsblatt, 25.07.25