Wie Pinguine unsere moderne Landwirtschaft revolutionierten.
Hallo liebe Community,
Vielen Dank für das tolle Feedback meines letzten Beitrages. Ich hoffe euer Backofen hat die Praxistests gut überstanden.
Für jene, die ihrem Backofen neue Horizonte aufweisen wollen, geht es hier zum genannten Beitrag:
https://getqu.in/2A360BDV8GYN/n12zGfGeeF/
Noch einmal als Denkanstoß, da mir selbst in ein paar Wochen die Themen ausgehen werden.
Welche Themen aus den Bereichen der Industrie, Energiewirtschaft oder Chemie hinterfragt ihr vielleicht häufiger als Investoren?
Anbei meine Herzensangelegenheit zum Thema „Ammoniak“. Ich hoffe es gefällt euch.
Warum Ammoniak die bessere Alternative zu „grünem“ Wasserstoff ist.
1. Bedeutung und Vorgeschichte:
Ammoniak ist eine der meistproduzierten Chemikalien weltweit. „Brot aus Luft“ nannten die Forscher Fritz Haber und Carl Bosch ihr Verfahren, was die Welt auch heute noch bewegt – die Ammoniaksynthese.
Während des Konkurrenzkampfes nach Düngemitteln in der industriellen Revolution war es letztlich wieder die Konkurrenz zwischen den europäischen Großmächten, wo das Land der „Dichter und Denker“ eine Revolution eröffnete.
Auf Grundlage von Forschungen des Biologen Justus von Liebig erlangten stickstoffhaltige Dünger einen unglaublichen Nachfrageboom. Heute kann man das eher mit der Halbleiterindustrie vergleichen.
Natürliche Vorkommen an solchen Düngemitteln waren begrenzt. Das Potenzial lag hierbei bei Chilesalpeter und Guano (Ein Gemisch aus Exkrementen von Seevögeln, wie Pinguinen auf Kalkstein).
Während man heutzutage also eher Abhängigkeiten sucht, wollte man noch vor knapp 100 Jahren Abhängigkeiten begrenzen.
Erste Schritte und Erfolge zu synthetischen Düngemitteln gelang Ostwald mit seinem Ostwald-Verfahren. Das wird aber heute eher zur Herstellung von Salpetersäure genutzt.
Birkeland, ein Norweger, entwickelte mit Unterstützung des Industriellen Sam Eyde ein Verfahren zur Herstellung von Salpetersäure über einen elektrischen Lichtbogen. Das war allerdings drastisch ineffizient.
Kommen wir nun zum eigentlichen Thema:
Der Drang der Deutschen nach Autarkie war ungebrochen. Die Chemiker Fritz Haber und Carl Bosch entwickelten somit eine großtechnische Synthese auf Grundlage von Stickstoff, der ja knapp 80% der Luft ausmacht und Wasserstoff. Großes wirtschaftliches Interesse daran zeigte die BASF $BAS (-5,27 %) . Dadurch entstand nicht nur eine Zusammenarbeit. 1913 entstand daraufhin in Ludwigshafen die erste großtechnische Anlage zur Herstellung von Ammoniak mit einer damals enormen Kapazität von 30t/Tag.
Aufgrund des ersten Weltkrieges und der daraus entstehenden Kapazitäten an Sprengmaterial wurden weitere Werke in Bitterfeld und Leuna erbaut. Dieser Bau stellt übrigens noch heute die Grundlage für die bedeutsame chemische Industrie in Sachsen-Anhalt dar.
2. „Brot aus Luft“ – der Prozess in bunt.
Konventionelle Herstellung (grau):
Um Ammoniak NH3 herzustellen benötigt man Stickstoff N2 und Wasserstoff H2. Stickstoff kann man einfach durch Lufteinspeisung realisieren. Wasserstoff gewann man durch die Chlor-Alkali-Elektrolyse. Heutzutage wird Wasserstoff aber primär aus Erdgas durch Dampfreformierung hergestellt.
Nach einem relativ einfacheren Prozess erhält man am Schluss eine wirklich ekelerregend, stechend riechende Flüssigkeit.
„Grüne“ Herstellung:
Die „grüne“ Herstellung Ammoniaks unterscheidet sich nur unwesentlich von der konventionellen Verfahrensweise.
Da Stickstoff bereits der Luft entnommen wird und somit keine Treibhausgase erzeugt, ist ein Einsparen des CO2 nur bei der Herstellung des Wasserstoffs H2 möglich.
Wasserstoff muss hierbei mittels Elektrolyse aus Wasser direkt eingespeist werden. Zumindest wäre das der effizienteste Weg, da hierbei keine weitere Zustandsänderung von Wasserstoff berücksichtigt werden muss.
Somit ändert sich das Verfahren nur in der Herstellung des Rohstoffs „Wasserstoff“. Die übrige Synthese erfolgt auch hier nach dem Haber-Bosch-Verfahren.
3. Verwendung – Warum ist Ammoniak eigentlich so wichtig für den Privatgebrauch?
Ammoniak ist ein wichtiger chemischer Rohstoff für so gut wie alle Industriezweige. Bereits im privaten Gebrauch finden wir ihn beispielsweise in:
- unserem Kühlschrank (Kältemittel)
- unserer Kleidung (Färbemittel)
- Dieselfahrzeugen zur Abgasbehandlung (Adblue als Harnstoff-Lösung)
- Proteinen im Körper und im Harnstoff-Zyklus als Abbauprodukt einer körpereigenen „Überdosis“
4. Was heißt das hinsichtlich möglicher Profiteure hinsichtlich eines Investments?
Dazu müssen wir uns natürlich die Frage hinter dem Wie, Was und Warum stellen. Übergreifend kann man Ammoniak mittlerweile zum Segment der Energiespeicher zählen, welches aber deutlich weniger Beachtung dahingehend findet als Wasserstoff.
Die weltweit größten börsengehandelten Hersteller sind Yara $YAR (-3,58 %) und CF Industries $CF (+0,18 %) , wobei Yara, auch selbst produziert, aber eher dem Chemikalienhandel, wie Brenntag $BNR (-0,65 %) als Branche angehört. Daher ist man ist rezessiven Zeiten auch krisenfester unterwegs. Chemikalienhändler können Gebinde beliebiger Größen ausgeben und große Chargen einkaufen und somit die Differenz als Marge einbehalten. Das tendiert dazu, dass in wirtschaftlich unsicheren Zeiten Kunden eher gewillt sind kleinere Gebinde zu kaufen, um somit Lagerbestände zu verringern im Falle eines Produktionsausfalls aufgrund mangelnder Nachfrage.
CF Industries hingegen ist ein „echter“ Produzent und strebt seit diesem Jahr die Produktion von „grünem“ Ammoniak an.
Tendenziell ist es hinsichtlich fortschrittlicher Prozesse mittlerweile so, dass aufgrund der besseren Wirkungsweise keine Luft mehr eingespeist wird, sondern reiner Stickstoff. Parallel dazu natürlich Wasserstoff. Entsprechende Prozesskenntnisse können die Hersteller hierbei meist selbst vorweisen, sodass eine Abhängigkeit von Wasserstoff-Zulieferern eigentlich ausgeschlossen werden kann. Eine Ausnahme hierbei stellt die Engineering-Sparte von Linde $LIN dar. Diese verfügen über die Kenntnis ganzer Wasserstoff- und Ammoniak-Anlagen. Das wäre übrigens auch ein weiterer Grund gegen die „kleinen“ Hype-Aktien, wie Nel $NEL (-4,59 %) oder Plug $PLUG (+1,6 %) aus dem Wasserstoffsegment und warum diese sich wahrscheinlich nicht durchsetzen werden. Immerhin wäre Ammoniak ein gigantischer Abnehmer für diesen Industriezweig. Dennoch sind Ammoniakproduzenten witzig niedrig bewertet an der Börse. KGVs im Schnitt von 5. Wohingegen einige Aktien des größten Wasserstoff-ETFs $HTWO (-0,37 %) >20 bewertet werden, sofern sie überhaupt Gewinne aufweisen können.
Ein Beispiel dazu:
Die Bewertung von CF-Industries ist bei etwa 14 Mrd.€. Plug Power wird noch immer mit knapp 7 Mrd.€ bewertet. Das ist die Hälfte. Während Plug seit Jahren Geld verbrennt und noch nicht mal Umsätze in Milliardenhöhe macht, ist CF äußerst profitabel.
Beide sind übergeordnet im Segment „sauberer“ Energie unterwegs. Dennoch wird für CF in den kommenden Jahren ein Rückgang des Geschäfts erwartet. Das ist unerklärlich und unlogisch und wird mit Sicherheit auch nicht so eintreten.
5. Wo sind nun aber die Wachstumspotenziale?
Das ist bei diesem Thema wirklich äußerst schwierig zu beurteilen, da der Markt weitgehend gesättigt und aufgeteilt ist.
Allgemein hervorheben sollte man aber tatsächlich BASF. Obgleich die Schließung der Ammoniak-Herstellung am Standort Ludwigshafen den hohen Produktionskosten in Europa zuzuschreiben ist, behält man doch die gesamte Wertschöpfungskette von Produkten im Ammoniak-Bereich weitgehend in sich.
Im Folgenden möchte ich nun einige Produkte näher vorstellen, die meines Erachtens ein hohes Wachstumspotenzial besitzen und auf Grundlage Ammoniaks basieren. Durch das Wachstumspotenzial der Folgenden sollte auch die Ammoniak-Produktion der Hersteller auch zukünftig stabil sein und an Bedeutung natürlich gewinnen.
Harnstoff:
Harnstoff ist entgegen der allgemeinen Annahme nicht bloß Ammoniak oder eine Lösung dessen. Es ist eine eigene chemische Verbindung und Folgeprodukt Ammoniaks.
Harnstoff ist mit einem Marktanteil von 46% das stickstoffhaltige Düngemittel schlechthin. Tendenz natürlich weiterwachsend, da die weltweite Bevölkerung weiter ansteigt. Des Weiteren basieren viele Rohstoffe der Zukunft auf pflanzlicher Basis. So ist natürlich auch hier beachtliches Wachstumspotenzial und ein sicherer, krisenfester Markt. Gegessen wird immer!
3 beispielhafte Vertreter: Yara $YAR (-3,58 %) , CF Industries $CF (+0,18 %) , Fertiglobe $FERTIGLB
Salpetersäure:
Salpetersäure ist die wohl bekannteste stickstoffhaltige Säure. In hohen Konzentrationen aber äußerst gefährlich, da hierbei nitrose Gase entfliehen, welche toxisch und ätzend sind. Benötigt wird sie als Grundstoff von Sprengstoffen wie TNT oder Nitroglycerin und somit also für den Bergbausektor essenziell. Auch hier findet sich Yara wieder. Und nein, das soll keine Werbung darstellen. Sie haben aber den überwiegenden Teil der ammoniakalischen und nitrosen Produktion in eigener Hand und wissen lukrative Geschäfte sehr zu schätzen.
Außerbörsliche Größen sind hierbei beispielsweise noch SKW Piesteritz GmbH oder Staub & Co. und viele weitere Mittelständler.
Anilin:
Anilin wird zwar in modernen Prozessen nur noch in der Endstufe mit Ammoniak hergestellt, ist aber dennoch ein stetiger Markt mit Wachstum. Frühere Prozesse sahen eine komplette Reaktionskette mit Ammoniak vor. Anilin ist ein Grundstoff für die Herstellung von Farben, Medikamenten und künstlichen Gummi, sowie Fasern alias Kunstfasern. Anilin ist als Stoff auch der Namensgeber des größten Chemiekonzerns BASF $BAS (-5,27 %) , was aus dem ursprünglichen Namen der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik stammt.
Daneben bieten aber noch DuPont $DD (-2,43 %) , Shin-Etsu $4063 (+1,07 %) oder Eastman $EMN (-1,22 %) viele auf Anilin-basierende Produkte an.
6. Ammoniak als Treibstoff der Zukunft?:
Der Sinn hinter meinen Beiträgen ist es natürlich Energieträger der Zukunft zu vermitteln und dabei Diversifikation zu fokussieren.
Lösung als Treibstoff-Alternative:
Da Ammoniak aber zu 75% aus Wasserstoff und 25% aus Stickstoff besteht, ist es leicht mithilfe eines sogenannten Ammoniak-Crackers wieder zu spalten. Somit kann Wasserstoff beispielsweise in einer Brennstoffzelle energetisch nutzbar gemacht werden und besitzt unter dem Strich einen Wirkungsgrad um ein Vielfaches höher als Wasserstoff. Dennoch hinkt man dabei dem Batterie-Fahrzeug weit hinterher.
Nichts desto trotz haben sich auch hier namenhafte Unternehmen, insbesondere aus dem Schwerverkehr gefunden, die Ammoniak als Zukunftslösung in Betracht ziehen wollen.
Die Deutsche Bahn möchte einige ihrer Güterzüge auf Ammoniak umrüsten, um die Diesel-Flotte minimieren zu können.
Auch die VW-Tochter $VOW (-2,5 %) , MAN, arbeitet an Schiffsmotoren auf Ammoniak-Basis.
John Deere $DE (-2,8 %) arbeitet ebenso an solchen Motoren für mittelschwere Traktoren.
7. Ammoniak als Energiespeicher und welche Vorteile hat es nun?
Hauptaugenmerk ist hierbei die Tatsache, dass Wasserstoff zwar zur Herstellung von Ammoniak nötig ist, aber für den Transport energieaufwendig verflüssigt werden müsste.
Kleiner Rückblick: Wasserstoff muss dafür auf ca. -250 Grad Celsius gekühlt werden und auf 700 bar komprimiert werden.
Ammoniak hingegen kann bereits bei 20 Grad Celsius, also Raumtemperatur und ca. 8 bar verflüssigt werden.
Der Energieaufwand ist also dramatisch geringer. Zudem ist die Energiedichte Ammoniaks (~3,3 kWh/l) höher, da Wasserstoff (~2,2kWh/l flüssig) als Energieträger hierbei chemisch gebunden wird und dadurch das Volumen des Wasserstoffes verringert wird.
Entsprechende Parameter sind der „Formelsammlung“ des Duden-Verlages entnommen.
Neben dem Vorteil, den ich weiter oben beschrieben hatte, dass der Kompressionsaufwand Ammoniaks wesentlich niedriger als der des Wasserstoffs ist, kommt hinzu, dass sich Ammoniak auch chemisch leicht speichern und viel vorteilhafter lagern lässt. So kann man Ammoniak beispielsweise in ein Salz umwandeln und somit als Feststoff sehr einfach lagern und transportieren. Bei ca. 60 Grad Celsius zersetzen sich die gegebenen Salze und setzen Ammoniak wieder frei.
Aber auch ohne Umwandlung ist Ammoniak als Gas bereits heute nutzbar, da die Infrastruktur des Erdgasnetzes für Ammoniak ausgelegt wäre. Man kann ihn sowohl auf Schiff, per Pipeline aber auch in gewöhnlichen Gasflaschen oder Gaskartuschen transportieren.
Das kommt daher, dass die Struktur Ammoniaks grober und größer als die des Wasserstoffs ist.
8. Welchen Nachteil besitzt Ammoniak allgemein?
Die größten Nachteile sind die akuten Gesundheits- und Umweltgefahren, die von der Substanz ausgehen. Bei Leckagen würden durchaus nachhaltige Umweltschäden hinsichtlich Tier, Natur und Mensch entstehen.
Man besitzt hierbei nur ein Viertel der Energie des Benzins und nur die Hälfte von Diesel. Dementsprechend bräuchte man für die doppelte benötigte Menge gegenüber fossilen Kraftstoffen.
Bei unvollständigen Verbrennungen, wie sie im Motor auch durchaus üblich sind, entsteht das narkotisierende und extreme Treibhausgas „Lachgas“. Motoren müssen daher überaus effizient und sorgfältig verbrennen.
Nachsatz:
Ich hoffe der Beitrag hat euch gefallen.
Der nächste Beitrag sieht die chemische Aufarbeitung von Lithium vor. Interessant dabei ist die CO2-Bilanz, aber der Fokus wird darauf liegen, dass die Börse die Wertschöpfungsketten völlig falsch einschätzt und die Bewertungen das realwirtschaftliche Bild verzerren.