Das „Gesetz zur Vereinfachung des Umweltgenehmigungsverfahrens“ wird in brasilianischen Umweltkreisen kurz als das „Gesetz der Verwüstung“ bezeichnet. Es wurde in einer Nachtsitzung vor der Kongresspause Mitte Juli vom Abgeordnetenhaus durchgepeitscht.
Nun hat Präsident Luiz Inácio Lula da Silva gegen Teile des Gesetzes sein Veto eingelegt.
Der Grund für diesen Rückzieher: Die linksgerichtete Regierung Lula scheut einen Affront gegen den konservativen Kongress. Mehr als zwei Drittel der Abgeordneten hatten für das Gesetz gestimmt.
Umweltschützer laufen Sturm gegen das Gesetz: Sie fürchten durch vereinfachte Genehmigungsverfahren größere Klimarisiken und Umweltschäden: Einem der umstrittensten Investitionsvorhaben Brasiliens werde damit Tür und Tor geöffnet.
Denn auch Brasilien verspricht sich einiges von Ölvorkommen, die an der Mündung des Amazonas vor der Nordküste Brasiliens unter dem Meeresboden des Atlantiks vermutet werden. Das benachbarte Guyana ist wegen des dort geförderten Öls gerade dabei, zu einem der neuen globalen Ölgiganten zu werden. Geologisch gesehen spricht vieles dafür, dass die Vorkommen bis in die Hoheitsgebiete Brasiliens reichen.
Die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) geht davon aus, dass Brasilien seine Öl- und Gasproduktion bis 2030 von derzeit 4,2 Millionen auf 5,8 Millionen Fass pro Tag steigern wird. Nach den USA wäre Brasilien damit eines der Länder, die ihre Förderung fossiler Brennstoffe in den nächsten fünf Jahren am stärksten steigern könnten. Heute steht Brasilien auf Rang 8 unter den weltweit größten Ölförderern; bis 2030 könnte es auf Platz 4 aufsteigen.
Mit der möglichen Ölförderung steht aber die Glaubwürdigkeit der brasilianischen Klimapolitik auf dem Spiel. Brasilien hat sich im Rahmen des Pariser Abkommens verpflichtet, seine Treibhausgasemissionen stark zu reduzieren. Eine Ausweitung der Ölproduktion widerspricht den Zielen.
Politisch sieht es allerdings nach einem Erfolg für die Befürworter aus. Sie verfügen über eine starke Lobby im Kongress, im Kabinett, bei den Gewerkschaften und in den Bundesstaaten im Norden Brasiliens. Auch Präsident Lula befürwortet das Projekt: Er möchte den armen Brasilianern lieber Jobs, Bildung und Gesundheitsvorsorge bieten, die durch Öleinnahmen finanziert werden, statt auf diese zu verzichten, um die Umwelt zu schützen. Mit internationalen Umweltpreisen lässt sich in Brasilien keine Wahl gewinnen, mit Sozialprogrammen und Wahlhilfe der Ölindustrie hingegen schon.
Mit dem Dekret für die beschleunigten Sonderverfahren gilt ein Sieg der Öllobby als wahrscheinlich. Der Kongress ist mehrheitlich für eine Ölförderung. Im nächsten Jahr stehen Wahlen an. Lula kann es sich kaum leisten, seine noch verbliebenen Verbündeten im Norden und Nordosten mit einer Umweltpolitik zu verprellen, mit der er sich selbst kaum identifiziert. Ein konservativer Nachfolger würde Hindernisse der Ölförderung vermutlich umgehend aus dem Weg räumen.
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Quelle: Text (Auszug) & Bild: Handelsblatt, 13.08.25