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Viele Aktien sind zuletzt sehr gut gelaufen. Doch wo es lange nur nach oben ging, kommen irgendwann auch Rücksetzer. Der Markt reagiert aktuell sensibel – schon kleinere Nachrichten führen zu deutlichen Bewegungen. Ein Beispiel sind die jüngsten Sorgen über die Kreditqualität kleinerer US-Regionalbanken, die gestern und heute spürbare Kursverluste ausgelöst haben.
Auch deshalb stellt sich die Frage, ob Rohstoffe künftig wieder eine größere Rolle spielen könnten – nicht als Ersatz, sondern als Teil einer breiteren Diversifikation. Gerade in Phasen, in denen Aktienmärkte nervös reagieren, können Rohstoffe ein taktisches Gegengewicht bilden. Aus dieser Überlegung heraus entstand die Idee, sie systematisch zu handeln – nicht über Gefühl, sondern über Regeln.
Die Inspiration kam durch einen Erdgas-Trade, den @Epi vorgestellt hatte. Er war weniger wegen des Ergebnisses spannend als wegen der dahinterliegenden Dynamik. Wie lässt sich so etwas regelbasiert abbilden? Wann entsteht Momentum, wann ist ein Trend tragfähig – und wann endet er?
So entstand der Commodity-Rotation-Ansatz – ein Versuch, die Bewegungen der Rohstoffmärkte mit technischer Disziplin zu begreifen. Der Ansatz setzt konsequent auf Momentum: Er will nicht den Boden erraten, sondern die Stärke begleiten. Ich habe ihn bislang nicht praktisch ausprobiert. Doch die Struktur steht, und sie zeigt, wie sich ein taktischer, signalbasierter Rohstoffansatz konstruieren lässt.
Rohstoffe verlaufen selten gleichmäßig. Sie bewegen sich in Wellen, getrieben von Nachfrage, Lagerbeständen, Politik und Währung. Diese Bewegungen sind kaum vorhersehbar – aber sie sind messbar. Der Ansatz betrachtet den Markt deshalb als ein rotierendes Spielfeld: Energie, Metalle, Agrar – Kapital wandert beständig zwischen diesen Segmenten. Ziel ist es nicht, vorherzusehen, woher der nächste Impuls kommt, sondern dort zu investieren, wo der Trend bereits sichtbar ist. Immer nur der stärkste Rohstoff zählt – der Rest bleibt außen vor.
Das Universum umfasst neun liquide, über WisdomTree handelbare Basis-ETFs. Jeder steht für einen eigenen Zyklus, gemeinsam bilden sie das gesamte Spektrum des globalen Rohstoffmarkts:
- $PHGP (-0,49 %) (Gold) – Stabilitätsanker in Phasen hoher Unsicherheit, typischer Gegenpol zu Risikoanlagen.
- $PHAG (-0,61 %) (Silber) – volatiler als Gold, mit industrieller Komponente, stark in Bullenphasen.
- $CRUD (+2,44 %) (WTI-Öl) – zentraler Energieträger, sensibel für OPEC-Politik und Konjunktur.
- $NGAS (-0,98 %) (Erdgas) – stark schwankend, wetter- und lagergetrieben, mit hohem Momentum in Engpassphasen.
- $COPA (+2,23 %) (Kupfer) – Frühindikator der Weltkonjunktur, profitiert von Elektrifizierung und Infrastruktur.
- $PHPT (+4,95 %) (Platin) – Edelmetall mit industrieller Bedeutung, etwa in der Automobil- und Wasserstoffwirtschaft.
- $WEAT (+0,61 %) (Weizen) – zyklisch und wetterabhängig, repräsentiert den Agrarsektor.
- $CORN (+0,91 %) (Mais) – Basisrohstoff für Ernährung und Energieproduktion, oft parallel zu Öl- und Agrartrends.
- $COFF (+1,73 %) (Kaffee) – saisonaler Markt mit starken Preisschwankungen, beeinflusst durch Klima und Währungen.
Damit sind Energie, Industrie, Edelmetalle und Agrar vollständig abgedeckt – ohne Überlappungen, aber mit ausreichender Breite, um Rotation sichtbar zu machen.
Der Ansatz folgt einem festen Ablauf, der wöchentlich überprüft wird. Ein Rohstoff wird nur dann berücksichtigt, wenn seine Sechs-Monats-Performance positiv ist. Erst oberhalb von einem Prozent gilt er als aktivierbar. Danach folgt die Trendprüfung: Der Kurs muss über dem GD50 liegen, und der kurzfristige Durchschnitt (GD20) muss den GD50 übersteigen. Erst dann gilt der Trend als bestätigt. Der RSI dient als Kontrollgröße. Werte zwischen 50 und 70 signalisieren Stabilität, über 75 Überhitzung, unter 40 Schwäche. Steigt der RSI zu stark oder fällt er deutlich, reagiert der Ansatz automatisch: Überhitzte Bewegungen werden reduziert, gebrochene Trends verkauft.
Die Trendstärke entscheidet über den Hebel. Liegt die Sechs-Monats-Performance über 10 %, darf ein dreifach gehebelter ETF genutzt werden. Zwischen 5 % und 10 % bleibt es bei der 2×-Variante. Darunter wird der Basis-ETF gehandelt – das Risiko wächst mit der Stärke des Trends, nicht mit dem Bauchgefühl.
Auch die Verlustbegrenzung ist klar geregelt. Bei der 1×-Variante erfolgt der Ausstieg bei einem Verlust von mehr als 5 %, bei 2× ab 10 %, bei 3× ab 15 %. So bleibt das maximale Risiko pro Position konstant. Die Gewinnsicherung erfolgt in zwei Stufen. Steigt der RSI über 75 oder fällt der Kurs unter den GD50, wird die Hälfte der Position verkauft, während der Rest weiterläuft, solange der langfristige Trend (GD50 > GD200) intakt bleibt. Fällt der Kurs unter den GD200, wird vollständig verkauft.
Alle Signale werden wöchentlich neu bewertet. Wenn ein anderer Rohstoff im Ranking stärker abschneidet, erfolgt ebenfalls der Ausstieg – die Position wird rotiert. Der Ansatz hält nie mehr als eine Position gleichzeitig.
Zur besseren Übersicht lässt sich das Regelwerk auch komprimiert zusammenfassen:
- Momentum: Nur aktive Rohstoffe mit positiver Sechs-Monats-Performance (> 1 %).
- Trendstruktur: Kurs > GD50 und GD20 > GD50 als Voraussetzung für Long-Signale.
- RSI-Filter: Einstieg nur bei 50 < RSI < 70; über 75 Teilverkauf, unter 40 Verkauf.
- Hebelsteuerung: Performance > 10 % → 3× ETF; 5–10 % → 2× ETF; < 5 % → Basis.
- Stop-Loss: – 5 % (1×), – 10 % (2×), – 15 % (3×).
- Take-Profit 1: RSI > 75 oder Kurs < GD50 → 50 % Verkauf, Rest halten bei GD50 > GD200.
- Take-Profit 2: Kurs < GD200 → vollständiger Verkauf.
- Rotation: Wöchentliche Neubewertung – bei stärkerem Rohstoff oder Verstoß gegen eine der Regeln → Ausstieg und Wechsel.
Diese Zusammenfassung zeigt, dass der Ansatz nicht auf Intuition setzt, sondern auf klare, wiederholbare Entscheidungslogik. Es geht nicht um die perfekte Prognose, sondern um konsequentes Reagieren – das ist der Kern jeder Momentum-Strategie.
Wie das praktisch funktioniert, lässt sich leicht verdeutlichen. Steigt $CRUD (+2,44 %) auf eine Sechs-Monats-Performance von +12 %, GD20 > GD50, RSI = 63, erfolgt der Einstieg über den 3× ETF. Steigt der RSI später über 75, wird die Hälfte verkauft. Fällt der Kurs unter GD200, folgt der vollständige Ausstieg. Oder: Wenn im wöchentlichen Ranking ein anderer Rohstoff, etwa $COPA (+2,23 %) (Kupfer), stärkere Signale liefert, wird ebenfalls gewechselt. So bleibt der Ansatz beweglich, aber konsequent regelbasiert.
Der Commodity-Rotation-Ansatz ist kein starres Handelssystem, sondern ein Versuch, Struktur in die Volatilität der Rohstoffmärkte zu bringen. Er definiert, wann ein Einstieg gerechtfertigt ist, wie stark gehebelt werden darf, wann Gewinne zu sichern sind und wann konsequent auszusteigen ist – sei es durch einen Trendbruch oder durch relative Schwäche im Vergleich zum Rest des Universums.
Ich habe diesen Ansatz bisher nicht praktisch umgesetzt. Aber schon die Entwicklung hat gezeigt, wie hilfreich es sein kann, Emotionen durch Regeln zu ersetzen. Ob er sich in der Praxis bewährt, wird sich zeigen.
Was haltet ihr von dem Ansatz?
Fehlen Rohstoffe – oder könnten manche raus?
Wie steht ihr zum Regelwerk – soweit plausibel?
Lasst uns über diese Idee diskutieren.