Woran denkt ihr, wenn ihr an Fujifilm denkt? An Kameras, Drucker oder vielleicht einfach gar nichts? Hinter den Kulissen hat das japanische Unternehmen, dass damals mit Film und Kamera groß geworden ist, eine der bemerkenswertesten Metamorphosen der Industriegeschichte hervorgebracht. In dem Moment als sie festgestellt haben, dass ihr Geschäftsmodell durch den Aufstieg des Smartphones auf der Kippe steht, haben sie radikal neu gedacht. Sie haben sich ganz klar überlegt, wo ihre Stärken liegen und haben diese, kombiniert mit gezielten Zukäufen, dazu genutzt sich neu zu erfinden.
Fujifilm ist heute essentieller Zulieferer von Spezial-Chemie für die Halbleiter-Industrie. Besonders im High-End Bereich halten sie dominante Marktanteile. Alternativen zu ihren EUV-Photoresists gibt es kaum und sie sind stark bei Polyimiden für neue Wachstumsmärkte wie das Advanced Packaging. Fujifilm hat sich also ein fortschrittliches, global relevantes und stabil wachsendes Segment für Halbleiter-Materialien aufgebaut. Vor zwei Wochen haben sie in Shizuoka eine neue fortschrittliche Anlage für jene Materialien eröffnet. Sie planen zudem auch in Rapidus zu investieren, dem aktuell ambitioniertesten Projekt im Bereich Halbleiter, das es auf der Welt gibt. Natürlich geht es hier auch ein bisschen um die Ehre, aber es handelt sich auch um einen gigantischen Kunden in nicht so ferner Zukunft, womit eine Beteiligung oder immerhin direkte Kontaktaufnahme sehr sinnvoll erscheint.
Die ganz große Story ist aber eigentlich eine andere. Es geht um Bio-CDMOs. Vor zwei Jahrzehnten in etwa gab es einen Umbruch in der Halbleiterindustrie, keine eigene Produktion mehr, stattdessen wird die Produktion zu sogenannten Foundries ausgelagert. Inzwischen hat sich dieses Modell längst durchgesetzt und Player wie TSMC sind Milliarden schwer. Aber was hat das damit zu tun? In der Pharma-Industrie setzt sich schon länger ein ähnlicher Trend durch. Die Produktion wird übernommen von CDMOs (Contract Development and Manufacturing Organizations). Der weitaus wachstumsstärkere Teilbereich sind die Bio-CDMOs, man könnte sie als die Elite bezeichnen. Viele CDMOs produzieren simple Moleküle und Chemikalien, während Bio-CDMOs komplexe organische Strukturen und Biologika herstellen. Das ist um Längen schwieriger. Der Trend aktuell in der Pharma-Industrie geht stark in diese Richtung. mRNA, spezifische Antikörper, ADCs, Zelltheraphien, es entstehen immer fortschrittlichere, aber auch immer kompliziertere Ansätze.
Zu den vier großen Bio-CDMO Unternehmen weltweit zählen Lonza $LONN (-2,21 %) , Fujifilm $4901 (-1,93 %) , Samsung Biologics $207940 und WuXi Biologics $WXXWY (-0,35 %) . Was lässt sich über den Markt sagen? Ein paar Aspekte wären, er wächst zweistellig im Jahr, die Eintrittsbarrieren sind hoch, das Geschäft ist sehr „sticky“ (Kunden wechseln kaum) und er ist regulatorisch sensibel.
Aber was macht Fujifilms Position aus? Fujifilm kann Synergien in der Forschung zwischen seiner Bio und Chemie Sparte erzeugen (z.B. kann Wissen für das Arbeiten auf mikroskopischer Ebene oder auch Reinräume nicht nur für Halbleitermaterialien angewandt werden, sondern auch für die Bio-CDMO Sparte). Sie fokussieren sich auf komplexere Prozesse, statt mit Samsung Biologics in einen Preiskampf um Standard-Produkte einzutreten. Zudem haben sie entscheidende Innovationen in der Produktion selbst hervorgebracht. Fujifilm baut seine Bioreaktoren modular und überall auf der Welt gleich, das ist ein großer Vorteil für Kunden. Zudem haben sie es geschafft einen kontinuierlichen Prozess zu bauen (also im übertragenen Sinne eine Art Fließband), statt wie ihre Konkurrenz häufig noch mit großen Kesseln zu arbeiten, was Effizienz kostet. Sie verfolgen zudem einen vertikalen Ansatz, in dem sie die Einzelkomponenten (wie Zellen, „Futter“ usw.) alles selbst herstellen. Einmal in der Plattform angekommen ist ein Wechsel weg von Fujifilm beinahe unmöglich. Bereits vorhandene Kunden sind beispielsweise Novo Nordisk, Eli Lilly $LLY (+3,19 %) , Regeneron $REGN (-0,88 %) oder auch Merck $MRK (+2,09 %) .
Zur finanziellen Seite: Fujifilms Bio-CDMO Sparte soll etwa 20% im Jahr wachsen und damit doppelt so schnell wie die Branche. Sie rechnen 2030 mit einem Umsatz von etwa 3 Milliarden €. Mit Investitionen über 7 Milliarden €, insbesondere in Anlagen in Dänemark und den USA, ist der Fokus des Unternehmens klar definiert. Diese Anlagen laufen größtenteils ab 2028 im vollen Betrieb. Wenn diese ausgelastet sind, liegt die Marge typischerweise bei hohen 30%. Die Investitionen von heute sind also der Cashflow von morgen. Ich bin zudem der Meinung, dass dies verglichen mit dem was in den nächsten Jahren bis Jahrzehnten kommt nur die Spitze des Eisbergs darstellt.
Fujifilms Timing ist ebenfalls perfekt. WuXi Biologics verliert immer mehr Marktanteile aufgrund der neuen US-Regulierung („Biosecure-Act“), was Fujifilm mit ihren Produktionsstätten in der westlichen Hemisphäre (+ westlichen Wertegemeinschaft mit Japan) stark in die Karten spielt. Zudem wurde vor kurzem ein potentieller Konkurrent von Novo Nordisk $NOVO B (-0,2 %) für einen Teil des Eigenbedarf aufgekauft.
Ich gehe davon aus, dass 2035 schon etwa 60% des Umsatzes aus der Healthcare Sparte kommen werden (heute 30%), zu der auch noch moderne medizinische Bildgebungsgeräte zählen. Der Fokus liegt allerdings klar auf den Bio-CDMOs. Die Electronics Sparte wird ebenfalls sich sehr gut entwickeln bis dahin und seinen Anteil vergrößern. Die Imaging Sparte (Kameras und co.) wird als Profi und Lifestyle Produkt fortbestehen und permanent Cash produzieren, das allerdings in den anderen Bereichen investiert wird. Die Business Innovation Sparte (Laserdrucker und co.) wird immer unbedeutender werden und langsam schrumpfen, dabei aber profitabel bleiben und Cash generieren. Zu gegebener Zeit wird sie möglicherweise verkauft oder abgespalten, wenn sich dafür nicht eine andere Lösung findet. Eine verfünf- bis versiebenfachung des Gewinns bis 2035 erscheint plausibel. Von heute 300 Milliarden Yen (etwa 1,8 Milliarden €) auf 1,5-2 Billionen Yen (9-12 Milliarden €), getrieben durch die hohen Margen im stark wachsenden Bio-CDMO Segment, das definitiv der relevanteste Geschäftsbereich für die Zukunft ist.
Man könnte Fujifilm schon fast als Infrastruktur-Play bezeichnen in zwei systemrelevanten Bereichen, Halbleiter und Biopharma. Sie verdienen an jedem Blockbuster Medikament und jedem High-End Chip mit, ohne auf jemand spezifischen dabei wetten zu müssen. Sie sind die Schaufelhersteller dieser Super-Trends. Im Moment läuft alles in die richtige Richtung für sie. Technologisches Fundament, strategische Brillanz und perfektes geopolitisches Timing. Sie haben auf jeden Fall das Momentum.
Diese gesamte Story gibt es für einen KGV von 15!! Ein klassischer „Konglomerats-Abschlag“ ist hier eingepreist, der allerdings die Dynamik sowie das Wachstumspotential völlig außer Acht lässt. Meiner Meinung nach ist das Unternehmen absolut unterbewertet und wenn die gesamte Roadmap umgesetzt wird, sehe ich 2035 eine deutlich höhere Bewertung. Bei einer Gewinnschätzung von 5 Milliarden (super konservativ) und einem KGV von 25 (einer angemessenen Höhe für die Neuausrichtung der Geschäftstätigkeit) wäre das schon eine Bewertung von 125 Milliarden € (>5x). Wenn wir von einer realistisch-optimistischen Gewinnschätzung ausgehen, also etwa 9 Milliarden €, wären wir schon bei 225 Milliarden (≈Tenbagger).
Was haltet ihr von dem Unternehmen? Eine beeindruckende Comeback-Story aus einer fast aussichtslosen Situation. Für euch ein Investment?





