Wie hoffentlich viele von euch, habe ich meine Altersvorsorge auf verschiedene Beine gestellt: B&H, GTAA, Aktien, Edelmetalle, Broker, Private Rentenversicherung – und zum kleinen Teil eben auch eine Betriebliche Altersvorsorge (bAV). Letztere habe ich mir die Tage noch einmal genauer angeschaut mit der Frage: Wieviel will ich da eigentlich wie lange einzahlen, um das Maximum herausholen zu können. Ich bin mir noch nicht so sicher, ob meine Rechnungen stimmen, aber am Ende könnten sie durchaus einen erheblichen(!) Vorteil gegenüber einem normalen Broker-ETF-Sparplan bedeuten. Also aufgepasst!
Die Idee
Die Grundlagen zur bAV setze ich mal als bekannt voraus, den Teil erspare ich euch hier, den und die vielen Details kann sich jeder im Netz selbst durchlesen. Die besondere Haupteigenschaft der bAV ist aber, dass die Einzahlungen aus dem Bruttolohn erfolgen. Bis zu 302€pM (Stand 2024) sind dabei vollständig abgabenfrei (ca.50%), bis zu 604€pM sind steuerfrei (ca. 25%). Ich zahle also ca. 300€pM/600€pM in die bAV ein, netto habe ich aber nur 150€pM (=300€x0,5)/ 375€pM (=150€+300€x0,75) weniger. Oder anders ausgedrückt: Ich zahle 150€pM und angespart werden 300€pM. Hört sich zu gut an, um wahr zu sein? Stimmt. Zum Teil zumindest. Denn in der Auszahlungsphase holt sich der Staat alles wieder zurück, d.h. die eingesparten Steuern und SV-Beiträge (SSV) werden von der Auszahlungssumme direkt wieder abgezogen (nachgelagerte Besteuerung).
Doch halt! Der gewiefte Getquinler ahnt hier verborgene Möglichkeiten. Wenn am Ende nur die eingesparten SSV-Beiträge zurückgezahlt werden müssen, dann könnte man diesen Anteil als zinsloses Darlehen des Staates zur Altersvorsorge verstehen. Kapitalhebel – ick hör dir tapsen!
Hinzu kommt dann noch die Steuerfreiheit auf Gewinne innerhalb der Anzahlungsphase. Zinseszinseffekt – ick hör dir schneller loofen!
Und nicht zu vergessen: die Steuererleichterungen in der Auszahlungsphase (Teilfreistellung, Grenzsteuersatz, 50% Steuerfreiheit). Beispiel: 200.000 € Gewinn x 0,85 (15% Teilfreistellung) x 0,5 (50% der Gewinne steuerfrei) x 0,3 (Steuersatz) = 25.500 € Steuerabgaben, d.h. nur 12,75% Steuern. Steuerersparnis rennt nun och noch!
Kapitalhebel, Zinseszinseffekt und Steuerersparnis – rechnen wir das mal durch und vergleichen einen Standard-Broker-Sparplan mit meiner bAV.
Meine bAV
Meine bAV ist von mylife (fondsrente), eine Nettopolice ohne Provision über Honorarberater. Die Kosten: 36€pa, 1% auf jeden Einzahlungsbetrag, 0,2%pa aufs Fondsvermögen. Zur freien Auswahl stehen 200 ETFs/ Fonds, kann man selbst übers Onlineportal wie bei einem Broker kaufen und verkaufen (1x im Monat kostenfrei).
Die Annahmen
Ich nehme mal eine mittelalte Person, die noch 20 Jahre bis zur Rente hat. Sie spart aus dem Nettolohn 150€pM bzw. 375€pM in einen ACWI mit erwartbarer 7%pa Rendite inkl. TER. Der Einfachheit halber lass ich die Einzahlungen konstant. Auch den Sparerpauschbetrag lass ich diese Person jeweils für andere Anlagen ausgeben (z.B. Dividendenaktien). Ich nehme auch an, dass zum Renteneintritt das Kapital jeweils komplett ausgezahlt wird, damit alle anfallenden Steuern einberechnet werden können. Die Rechnungen erstelle ich mit https://www.zinsen-berechnen.de/ und https://www.finanzfluss.de/rechner/sparrechner/ Natürlich kann jeder die Rechnungen auf seine eigenen Umstände anpassen.
Der Vergleich
Szenario 1: 150€ Sparrate
bAV (150€ Netto-Einzahlung):
Einzahlungen 2024-2044 (240 Raten á 300€/ netto: 150€): 72.000€
Sparkapital: 149.700€
bAV-Kosten: 36€x20 + 1% v. 72.000€ + 0,2% TER = 4900€
Brutto-Kapital: 144.800€
Abgaben bei Kapitalabfindung 2044:
50% von Beitragsanteil (72.000€) = 36.000€
13% von Ertragsanteil (72.800€) = 9.500€
Netto-Kapital: 99.300€
Broker:
Einzahlungen: 240 Raten á 150€: 36.000€
Broker-Kosten: -
Zinsertrag: 42.100€
Steuern (inkl. 30% Teilfreistellung, Kapitalertragssteuer, ohne Pauschbetrag): 7.800€
Netto-Kapital: 70.300€
Vorteil bAV: 29.000€ (+41%)
Szenario 2: 375€ Sparrate
bAV (375€ Netto-Einzahlung):
Einzahlungen 2024-2044 (240 Raten á 600€/ netto: 375€): 144.000€
Sparkapital: 306.400€
bAV-Kosten: 36€x20 + 1% v. 144.000€ + 0,2% TER = 9.200€
Brutto-Kapital: 297.200€
Abgaben bei Kapitalabfindung 2044:
37,5% von Beitragsanteil (144.000€) = 54.000€
13% von Ertragsanteil (153.200€) = 18.400€
Netto-Kapital: 224.800€
Broker:
Einzahlungen: 240 Raten á 375€: 90.000€
Broker-Kosten: -
Zinsertrag: 105.400€
Steuern (inkl. 30% Teilfreistellung, Kapitalertragssteuer, ohne Pauschbetrag): 19.400€
Netto-Kapital: 175.900€
Vorteil bAV: 48.900€
Fazit
Mit 150€pM Sparrate in 20 Jahren mit ACWI nach allen Kosten ein Kapital von fast 100.000€ erreichen und damit fast 30.000€ mehr als mit einem Broker-Sparplan? Mit 375€pM Sparrate fast eine Viertelmillion zum Renteneintritt? Ihr müsstet die Rechnung mal mit 10%pa anstellen! Da geht der Vorteil der bAV schnell in den sechsstelligen Bereich. Ich würde sagen, damit lassen sich einige unbestreitbare Nachteile der bAV kompensieren: AG-gebunden, Auszahlungsmöglichkeit erst bei Renteneintritt, Abhängigkeit von Versicherung.
Eine solche Vergleichsrechnung, wie ich sie hier angestellt habe, habe ich bisher noch nirgends gesehen. Ihr wahrscheinlich auch nicht. Warum eigentlich nicht? Die Gründe sind m.E., 1. dass die meisten ETF-Sparer sich nicht für solch Sachen wie bAV interessieren, zumal die meisten bAV-Verträge irgendwelche Beitragsgarantien haben ohne ETF-Wahl und mit horrenden Provisionen. Und 2., die meisten, die sich für bAV interessieren, wollen nur die mickrigen AG-Zuschüsse mitnehmen, interessieren sich sonst aber nicht für die Anlage im bAV-Mantel. Die wenigsten Arbeitgeber interessieren sich außerdem nicht für die Anlagemöglichkeiten innerhalb der bAV, die sie nur aus Pflicht anbieten und irgendwann vor 20 Jahren mal installiert haben. Und 3. ist die hier durchgerechnete Variante mit Kapitalabfindung unattraktiv für die Versicherungen, die gern mit einer Garantierente und deren Freibeträgen werben. Aber welcher Getquin-ler will schon eine „Garantierente“ von ca. 3%pa, bei der das Restkapital im Todesfall komplett an die Versicherung fällt?
Meine obige Rechnung geht also völlig an den Intentionen der Erfinder und der üblichen Akteure der bAV vorbei. Vielleicht sind deshalb der Kapitalhebel, Zinseszinseffekt und Steuerersparnis der bAV bisher ein blinder Fleck auf der Landkarte der Kapitalanlagen (und wird auch einer bleiben, sobald dieser Beitrag in den unendlichen Tiefen des Getquin-Archivs verschwunden ist).
Vielleicht habe ich aber irgendwo einen Denkfehler? Falls ja, wäre ich dankbar, wenn mir den jemand aufzeigen kann. Denn falls nicht, würde ich wohl demnächst meine NettoSparrate in der bAV auf den maximalen Förderbetrag von 375€pM anheben, den Kapitalhebel voll nutzen und meine bAV zu einem ernsthaften Teil meiner Kapitalanlagestrategie machen (und mit GTAA und etwas Glück in ca. 20 Jahren dann die halbe Million zusätzlich einsammeln).
Also: wenn ihr diese Möglichkeiten der bAV noch nicht nutzt – wo liegt der Fehler: bei mir, bei eurem Chef oder bei euch? Ich bin gespannt.
Euer Epi

Edit: Beachtet bitte auch den 2. Teil zur bAV, in dem ich wichtige Denkfehler dieses Beitrags korrigiert habe.