Das Handelsblatt hat in Dax, Stoxx 50 und Dow Jones nach sogenannten Qualitätsaktien gesucht, die unterbewertet sind – deren Kursniveau also niedriger ist als der langfristige Durchschnitt.
Um in die Auswahl als Qualitätsaktie zu gelangen, müssen die Unternehmen in den vergangenen fünf Jahren durchweg fünf Bedingungen erfüllt haben:
- steigende oder mindestens stabile Gewinne vor Steuern und Zinsen (Ebit),
- hohe liquide Mittel aus dem Kerngeschäft (operativer Cashflow), um laufende Kosten immer zu decken,
- niedrige bis moderate Nettoverschuldung in Relation zum Eigenkapital; deutlich unter 100 Prozent,
- Jahr für Jahr steigende Dividenden,
- niedriger bewertet als im eigenen Zehnjahres-Durchschnitt – ermittelt aus der Relation zwischen Konzerngewinnen und Börsenwert.
Die in den vergangenen Jahren stark gestiegenen Börsenkurse führen dazu, dass nur fünf von insgesamt 120 Konzernen, die im Dow, Stoxx und Dax notieren, alle fünf Bedingungen erfüllen. Aus dem deutschen Leitindex ist nur ein Titel dabei.
Visa $V (-1,27 %): Burggraben-Titel gibt es mit sechs Prozent Bewertungsabschlag
Dividendenrendite aktuell: 0,8%
Mehrere Millionen Händler weltweit akzeptieren die Zahlungen im Supermarkt, beim Online-Shopping oder bei Auslandsreisen. Mehr als die Hälfte der Konzernerlöse bleiben als Gewinn übrig, damit ist Visa einer der profitabelsten Konzerne weltweit und zugleich eine typische Burggraben-Aktie.
Höhere Preise und damit Inflation wirken sich positiv aus, denn sie bedeuten für Visa höhere Erlöse, weil die Kreditkartengebühren prozentual an den Umsatz der Händler gekoppelt sind.
L’Oréal $OR (+1,13 %): Zehn Prozent Bewertungsabschlag und der Konzern wächst schneller als der Markt
Dividendenrendite aktuell: 1,9%
Als der weltgrößte Kosmetikhersteller im abgelaufenen Quartal über ein Umsatzwachstum von 4,2 Prozent berichtete, zählte die Aktie zu den größten Tagesverlierern. Analysten hatten mit mehr gerechnet. Der Titel notiert 20 Prozent unter seinem Rekordhoch.
Im laufenden Gesamtjahr dürfte L’Oréal nach Durchschnittsprognose der Analysten 6,7 Milliarden Euro vor Steuern und Zinsen verdienen. Das wäre so viel wie noch nie und fast doppelt so viel wie noch vor fünf Jahren. Im selben Zeitraum stieg die Dividende pro Aktie von 3,85 Euro auf sieben Euro.
Mit einem KGV von 27,4 auf Basis der in den nächsten vier Quartalen prognostizierten Gewinne ist die Aktie um zehn Prozent niedriger bewertet als in ihrem Zehnjahres-Durchschnitt.
Procter-&-Gamble $PG (-0,52 %): Die Dividende ist sicher und steigt immer
Dividendenrendite aktuell: 2,9%
Markenartikel wie Ariel, Pampers, Braun und Gillette bescheren dem amerikanischen Konsumgüterhersteller verlässlich steigende Erträge. In den vergangenen fünf Jahren stieg der Gewinn vor Steuern und Zinsen um 23 Prozent.
Dass aber auch solch defensive Aktien nicht resistent gegen Kursverluste sind, zeigt sich in diesem Jahr. Procter & Gamble notieren aktuell knapp 20 Prozent unter ihrem Rekordhoch, das sie vor zwölf Monaten erreicht hatten.
Dafür gibt es zwei Gründe: die Vorliebe vieler Anleger für spekulativere Technologie-Aktien, aber auch höhere finanzielle Belastungen vieler Konsumenten aufgrund steigender Lebenshaltungskosten. Deshalb bevorzugten mehr Verbraucher preiswertere Eigenmarken von Händlern wie Walmart in den USA oder Edeka und Rewe in Deutschland.
In der langen Börsengeschichte erwiesen sich solche Kursrücksetzer fast immer als gute Einstiegsgelegenheit. Aktuell ist die Aktie mit einem KGV von 20,8 auf Basis der für die nächsten vier Quartale prognostizierten Gewinne bewertet. Das liegt sieben Prozent unter dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre – nachdem P&G in den vergangenen Jahren über dem historischen Mittel bewertet war.
Das wohl stärkste Argument sind die Gewinnausschüttungen. Seit 1890 schüttet der Konzern jedes Jahr Dividenden aus. Seit Ende der 50er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts hat Procter & Gamble seine Dividende jedes Jahr erhöht. Rund 50 Prozent des Gewinns gehen an die Aktionäre.
Das lässt genügend Puffer, um auch in Jahren mit leicht sinkenden Gewinnen die Dividende zu erhöhen. Diese stieg in den vergangenen fünf Jahren um rund einen Euro auf 3,75 Euro pro Aktie.
Deutsche-Börse $DB1 (-3,17 %): Nicht nur das Börsengeschäft treibt die Gewinne
Dividendenrendite aktuell: 1,8%
Der Frankfurter Börsenbetreiber steht 2025 vor seinem siebten Rekordgewinnjahr in Folge. Im dritten Quartal legten Nettoerlöse, Vorsteuergewinne und das Ergebnis je Aktie wie gewohnt weiter zu. Dennoch ist die in den vergangenen Jahren stark gestiegene Aktie in den vergangenen Monaten unter Druck geraten: minus 25 Prozent seit Anfang Mai.
Aktuell verhandelt die Deutsche Börse über den Kauf der Fondsverwaltungsplattform Allfunds für 5,3 Milliarden Euro. Allfunds bietet Fondsmanagern und -vertrieben eine Plattform für Handel, Datenanalysen und Compliance-Systeme.
Die Folge von so viel Konstanz sind verlässliche Ausschüttungen: Neun Jahre in Folge ist die Dividende gestiegen, im kommenden Frühjahr steht die zehnte Erhöhung an.
Angesichts der jüngsten Kursverluste – bei gleichzeitig steigenden Konzerngewinnen – ist die Aktie nach langer Zeit nicht mehr überbewertet. Mit einem KGV von 18,7 auf Basis der erwarteten Gewinne in den nächsten vier Quartalen ist die Aktie um drei Prozent niedriger bewertet als in ihrem Zehnjahres-Durchschnitt.
Novo-Nordisk $NOVO B (-1,69 %): Höchster Bewertungsabschlag und hochspekulativ
Dividendenrendite aktuell: 3,8%
Die spekulativste Aktie unter den hier porträtierten Titeln ist Novo Nordisk. Mit Vorlage der Bilanz zum dritten Quartal senkte der dänische Pharmakonzern erneut seine Umsatz- und Gewinnziele. Zudem kürzte das Management mit seinem seit August neuen Konzernchef Maziar Mike Doustdar die Investitionspläne.
Mit der Abnehmspritze Wegovy, die Novo Nordisk zeitweise zum wertvollsten Börsenkonzern in Europa gemacht hatte, war das Unternehmen stark gewachsen, bevor Konkurrenten, vor allem der US-Konzern Eli Lilly $LLY (-1,4 %), mit ähnlichen Präparaten erfolgreich Konkurrenz machten. Massenentlassungen bei Novo Nordisk waren die Folge.
Trotz aller Rückschläge steigert der Pharmakonzern seine Gewinne noch – nur langsamer. Im laufenden Jahr prognostizieren Analysten im Schnitt einen Gewinn vor Steuern und Zinsen von umgerechnet 14,1 Milliarden Euro, nach 13,5 Milliarden Euro im Vorjahr.
Seit dem Rekordhoch vom Sommer vergangenen Jahres ist die Aktie um 70 Prozent gefallen. Diese Konstellation – steigende Gewinne, einbrechender Aktienkurs – macht die einst sehr hoch bewertete Aktie mit einem KGV von 12,9 plötzlich preiswert. Der Zehnjahres-Durchschnitt liegt mit einem KGV von 23,4 fast doppelt so hoch. Keine andere Qualitätsaktie notiert gegenwärtig mit einem so hohen Bewertungsabschlag.
Positive Ergebnisse erzielte Novo Nordisk zuletzt in Tests mit dem Medikament Amycretin bei Diabetes-Patienten. Diese reduzierten nach Unternehmensangaben ihr Gewicht deutlich und konnten zugleich ihren Blutzuckerspiegel signifikant senken.
In diesem Bereich liegt das Kerngeschäft von Novo Nordisk, ehe es zum Hype um die Abnehmspritzen gekommen war. In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Zahl der Diabetiker weltweit auf rund eine halbe Milliarde Erkrankte vervierfacht. Bei Insulinprodukten erreicht der Konzern nach Angaben des Marktforschungsinstituts Mordor Intelligence einen Anteil von 45 bis 50 Prozent und ist damit unangefochten Weltmarktführer.
Quelle Text (Auszug) & Bild, Handelsblatt 01.12.25

