Gefühlt täglich lese ich hier vom „passiven Einkommen“ und Cashflow, welcher scheinbar nur durch den Kauf von Dividendentiteln erhalten werden kann. Dabei werden sogar von Anfängern geteilte Depots mit den Worten „Toll das du investierst“ oder „Schaut gut aus“ beschrieben.
Ich finde dies höchst problematisch. Es werden falsche Informationen oder fehlendes Wissen geteilt, ohne Aufklärungsarbeit zu leisten. Denn rein finanzmathematisch bieten Dividenden keine bekannten Vorteile gegenüber dem Teilverkauf von Aktien. Durch die steuerlichen Nachteile stehen Dividendeninvestoren sogar häufig deutlicher schlechter dar.
Dabei rede ich nicht von Unternehmen, wie Apple, Microsoft oder Walmart, die Dividenden ausschütten.
Sondern von dem Kauf/Fokus von sogenannten High Dividendentiteln wie BAT, Realty Income oder Imperial Brands, wo die Dividendenrendite deutlich höher ist und eher als „Cashflow“-Aktien bekannt sind.
Weißt man hier den Beitragsersteller auf seinen starken Fokus auf Dividenden in jungen Jahren, mit langem Anlagehorizont, hin, wird man sofort von einem scheinbar „qualifizierten“ Dividendeninvestor mit irgendwelchen irrationalen Argumenten konfrontiert und zurechtgewiesen.
Folgende „Argument“ sind mir dabei in letzter Zeit auf dem Bildschirm aufgepoppt.
Beim Kauf von Dividendentiteln müsse man keine Anteile verkaufen, um an Geld zu kommen. Beim Teilverkauf schon, hier habe man irgendwann 0 Anteile.Den Steuerfreibetrag kann man effektiv nur über Dividenden ausschöpfenDividenden sind planbares EinkommenPsychologische Motivation durch DividendenCashflow im CrashOhne Dividenden bringen Aktien nichts
Die Fakten
Finanzmathematisch macht es keinen Unterschied, ob ich auf mein 10.000 € Depot 30 € an Dividenden pro Monat erhalte oder aber im selben Ausmaße einen Teilverkauf vornehme. Denn in beiden Fällen fließt Geld von Aktie auf mein Verrechnungskonto. Und nur weil man den Dividendenabschlag im Kurs nicht 1 zu 1 ablesen kann, existiert dieser trotzdem und schmälert den Wert deiner Aktienposition. Genauso wie der Verkauf von Anteilen. Denn die Dividende kommt nicht vom Himmel gefallen, sondern geht vom Gewinn des ausschüttenden Unternehmens ab.Es ist vollkommen egal, ob 1000/2000 € Dividenden pro Jahr verwendet werden, um den Freibetrag auszuschöpfen oder aber Gewinne im selben Ausmaße realisiert werden. Wenn für dich ein planbares Einkommen heißt, dass dieses zu 100 % von der Unternehmensführung abhängig ist, dann ist das wohl so. Denn Dividenden können jederzeit gekürzt oder gestrichen werden. Außerdem bist du von der Dividendenrendite abhängig. Du kannst diese nicht selber steuern. So möchtest du dieses Jahr aus steuerlicher Sicht gar nicht 3000 € an Dividenden erhalten. Doch du kannst Ausschüttungen nicht ablehnen und 3000 € an Dividenden werden auf dein Verrechnungskonto fließen. Beim Teilverkauf kannst du dir den „Ausschüttungstermin“ frei wählen und sogar die Summe selber festlegen.Motivation ist wichtig und wenn diese beim Investieren hilft, um so besser. Doch leider ist dies kein rationales Argument für den Fokus auf Dividendentitel. Du nimmst also deutlich schlechtere Performance in Kauf, nur um weiterhin zu investieren?Sagen wir, dein Depot steht gerade 10 % im Minus. Deine Dividendenrendite liegt bei 3 %. So liegt dein Depotwert rein rechnerisch nach der Ausschüttungen bei -13 %. Die Dividende geht eben vom Unternehmenskonto/Wert ab Stichwort „Dividendenabschlag“ Du kannst genauso im Crash einfach 3 % deines Depots verkaufen. In beiden Fällen liegt dein Geld unverzinst auf dem Verrechnungskonto.Wie gerade bereits angeschnitten, benötigt es keinesfalls Dividenden, um am Erfolg des Unternehmens zu partizipieren. Denn das nicht ausschüttende Unternehmen kann Aktienrückkäufe vornehmen oder bestehende Schulden tilgen. All dies sollte mehr Rendite bringen. Das Unternehmen wird wertvoller, da es weniger Aktien im Umlauf gibt oder es weniger verschuldet ist. Bei zwei identischen Unternehmen wäre der Aktienkurs bei dem ausschüttenden Unternehmen geringer als bei Unternehmen, das das Geld in Aktienrückkäufe investiert. Hier sollte sich diese Aktion in einem steigenden Aktienkurs bemerkbar machen.
Wann werden "Dividenden-Investoren" endlich verstehen, dass es keine rationalen Vorteile für den Fokus auf Dividendentitel gibt? Seit wann werden Fakten dermaßen ignoriert und Scheinargumente als Rechtfertigungsgrundlage verwendet?
Ein paar Quellen:
- https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2876373
- https://www.chicagobooth.edu/review/dividends-are-not-free-money-though-lots-investors-seem-think-they-are
- https://gerd-kommer.de/dividendenstrategien-fakten-und-fantasien/#:~:text=Ein%20viertes%20Element%20der%20Dividend,etwas%20geschenkt%E2%80%9C%20%E2%80%93%20offensichtliches%20Wunschdenken.
Ich möchte dazu gerne erneut diesen wertvollen Beitrag aus der Community teilen. Dieser bringt mir immer wieder etwas Hoffnung, dass ein wenig rationale Investoren hier unterwegs sind: