Moin,
nachdem @Fabzy scheinbar nicht von der Dividendenstrategie wegkommt und nun schon den zweiten oder dritten Beitrag dazu veröffentlicht hat (sorry, Waschbären können nicht so gut zählen) in welchem er versucht zu verstehen warum junge Leute auf eine Dividendenstrategie setzen, möchte ich mal meine Sichtweise dazu veröffentlichen. Da wir beide fast gleich alt sind, könnte unser Start wohl sehr ähnlich sein (und ist es auch). Dennoch verfolgen wir beide unterschiedliche Strategien. Die Diskussion Dividendenstrategie oder Wachstumsstrategie oder doch eine Mischung ist mit Sicherheit noch lange nicht am Ende und doch ist es gut, darüber zu reden und andere Blickwinkel kennenzulernen. Daher auch mein Beitrag heute. Vielleicht wird dann noch klarer, wieso ich (und viele andere) auf eine Dividendenstrategie setzen, obwohl bis zur Rente noch viel Zeit ist und dazu Rendite verpasst wird.
Vorweg muss ich noch etwas loswerden:
Es handelt sich hier natürlich um meine persönliche Meinung und Strategie. Ich erhebe damit weder Anspruch auf Korrektheit oder Perfektion, noch auf Vollständigkeit oder darauf den goldenen Weg gefunden zu haben. Die Möglichkeit der verpassten Rendite ist mir durchaus bewusst. Letztlich geht es jedoch nicht immer nur um Rendite und um einen möglichst hohen Depotstand zu Zeitpunkt X, sondern es geht auch und vor allem ums Wohlfühlen und um Lebensqualität. @Fabzy versucht in seinem Beitrag eine Begründung dafür zu finden, warum gerade junge Investoren auf die Dividendenstrategie setzen, obwohl sie doch noch einen Anlagezeitraum von locker 30-40 Jahren haben und damit beste Voraussetzungen haben um jegliches Wachstum mitzunehmen. Unabhängig davon, dass er damit zugibt, dass er eine alte schrumpelige Schildkröte ist und ich ein junger filigraner Waschbär, lautet die Antwort darauf, wie er auch selbst festgestellt hat (u.a.): Cashflow.
Vorwort
Es gibt quasi unendlich viele Variablen, die uns zu einer für uns passenden Strategie führen. Natürlich gehört da auch die Erziehung und Erfahrung in der Jugend dazu. Auch die Möglichkeiten sich Informationen zu beschaffen gehören dazu. Eine Strategie sollte natürlich fix sein, jedoch nicht in Stein gemeißelt. Im Leben kann sich eine Strategie durchaus ändern. Auch mehrfach. Aber es sollte immer zu den Lebensumständen passen.
Ähnlich wie das bekannte Waschbären-Sprichwort jeder ist selber seiner Pizza Bäcker. Während die Einen auf volles Wachstum setzen, möchten die Anderen es lieber ruhig angehen und setzen auf vermeintlich sicherere Aktien, kassieren dabei auch noch Dividende, was das Unternehmenswachstum noch zusätzlich einbremst.
Doch letztlich ist das passend, was sich für einen selbst am besten anfühlt.
Warum habe ich mich für die Dividendenstrategie entschieden?
In meinem speziellen Fall gibt es drei Punkte, die mich auf eine Dividendenstrategie setzen lassen.
Punkt 1 ist Sicherheit. Ich bin am Anfang des Investierens ziemlich auf die Schnauze geflogen. Typischer fail, wie es wahrscheinlich noch mehreren Leuten am Anfang ergangen ist, hoffe ich. Im Internet liest man von schnellem Geld und scheinbar einem todsicheren Deal. Da wird eine Aktie genannt, gerne ein kanadischer Pennystock (was ein Pennystock ist, ist natürlich unbekannt, spielt aber ja auch keine Rolle. Kanadische Börse, kann ja nur sicher sein). Kurz „recherchiert“ und festgestellt, dass der Kurs in 2 Wochen knapp 400% gemacht hat. Viele Kommentare vorhanden, die alle zustimmen (das ist bestimmt wie bei den Bewertungen bei HolidayCheck). Schnell rein, bevor es zu spät ist. Tja und wie es der Zufall so will war genau das die Spitze… Stopp-Loss? So ein Quatsch. Viel zu kompliziert am Anfang. Das ist außerdem eh nur ein kurzer Rücksetzer. Tja, Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.
Daher an dieser Stelle der absolut wichtige und warnende Hinweis: Recherchiert selbst, versteht das Unternehmen und kauft nicht einfach irgendwas, nur weil es irgendwo im Internet (dazu zählt auch Instagram und getquin) steht. Und wenn ihr es doch macht, dann setzt wenigstens eine Stopp-Loss Order!
Aktuell steht das besagte Investment bei mir übrigens bei -92%.
Diese Erfahrung veranlasste mich auf eher weniger volatile Aktien zu setzen, wenigstens aber auf wohl bekannte Namen. Ich hatte mir die Finger verbrannt. Natürlich sind Wachstumsaktien keinesfalls mit kanadischen Pennystocks vergleichbar. Das nur der Vollständigkeit halber.
Punkt 2 ist Motivation. Es motiviert mich einfach, wenn ich regelmäßig Dividendeneingänge auf dem Konto verzeichne. Noch dazu, werden diese dank Sparplänen mit jedem Monat erhöht und so lässt sich Monat für Monat und Jahr für Jahr eine Steigerung sehen. Das macht einfach Spaß und motiviert dazu weiterzumachen. Manche brauchen diese Motivation nicht und sparen auch weiter, wenn der Depotwert sinkt und sinkt und sinkt und machen sich dabei auch keine Gedanken. Ich bin froh um diese Motivation und brauchte Sie umso mehr als ich startete und mir das Missgeschick mit dem kanadischen Pennystock passierte.
Das bringt mich zu
Punkt 3 und damit dem Kern des Beitrags:
Cashflow.
Ja, es ist der Cashflow (und die damit verbundenen Steuern), die die Rendite schmälern und den Zinseszins beeinträchtigen. Aber es ist genau dieser Cashflow der mir das bringt, was ich bereits heute möchte. Finanzielle Freiheit und ein zusätzliches Einkommen.
Natürlich lässt sich die Finanzielle Freiheit sehr weiträumig definieren und ist wohl für jeden auch irgendwie unterschiedlich.
Für mich bedeutet diese Freiheit, dass ich mir bereits heute Dinge kaufen kann, von Geld, welches passiv für mich arbeitet.
Was ist überhaupt das Ziel?
Am Anfang muss sich natürlich jeder erstmal die Frage stellen, was das persönliche Ziel ist. Daraus ableitend könnte sich dann ein Teil der Strategie ergeben.
Folgende Fragen könnte man sich stellen:
- Will ich die Rentenlücke schließen?
- Möchte ich früher in Rente gehen?
- Ab wann möchte ich weniger oder gar nicht mehr arbeiten?
- Bin ich bereit später Anteile zu verkaufen?
- Ab wann möchte ich finanzielle Freiheit?
- Was bedeutet frei sein für mich?
- Was wird dazu benötigt?
Jetzt gibt es natürlich unterschiedliche Rechnungen, die man machen kann. Wie viel muss ich wie lange ansparen um später bei dieser oder jener Rendite folgenden Depotbestand zu haben. Damit kann ich dann je nachdem ob mit Anteilsverkauf oder ohne Anteilsverkauf so und solange meine Auszahlungen generieren.
Was ist denn jetzt mein Ziel?
Mein persönliches Ziel ist zum Einen die Rentenlücke mindestens zu schließen, eher zu überfüllen. Zum Anderen möchte ich aber auch bereits frühestmöglich finanzielle Freiheiten genießen können und dabei eine geringere Volatilität verzeichnen, als es bei Wachstumsunternehmen der Fall wäre.
Ein konkretes (also betragliches) Ziel habe ich mir bewusst nicht gesetzt.
Ich möchte innerhalb meines Rahmens das mögliche Maximum rausholen und das, was für die Rente zusätzlich rauskommt ist gut. Wenn es sogar so viel ist, das ich bereits mit 55 in Rente kann, dann ist das umso besser.
Grob gesagt lässt sich mein Ziel in die folgenden Bereiche aufteilen:
- Rentenlücke verkleinern/schließen/übertreffen
- möglichst geringe Volatilität
- bereits jetzt eine gewisse Freiheit ermöglichen
Wie man unschwer erkennen kann, ist mein Ziel also nicht die maximal mögliche Rendite. Es ist auch nicht das vordergründige Ziel ein oder zwei Millionen an Stichtag X zu haben. Es geht mir einfach darum ein zusätzliches Einkommen für die Rente zu erwirtschaften und dabei in einem möglichst kleinen volatilen Rahmen bereits jetzt ein zweites Einkommen zu haben.
Das dabei Rendite auf der Strecke bleibt ist mir durchaus bewusst ist aber so eingeplant.
Wie gehe ich vor, um mein Ziel zu erreichen?
Viele Wege führen zu @Barstens Mülltonne.
So individuell das persönliche Ziel ist, so individuell ist auch der Weg dorthin. Man kann versuchen den Markt zu schlagen, man kann Wachstumsaktien kaufen, ETFs (und da auch wieder zig verschiedene Variationen), Dividendenaktien, Dividendenwachstumsaktien oder eine Kombination aus allem, usw. Da muss jeder einfach seinen eigenen Weg finden. Wichtig ist nur, dass man seiner Strategie treu bleibt, sie aber auch regelmäßig hinterfragt und überprüft.
Ich nutze eine Kombination. Nicht nur eine aus Pizza und Bananenschale sondern aus Dividendenwachstum und höherer Dividendenrendite.
Das hat mehrere Gründe:
Mein ETF Depot trägt sich bald selber. Sollte ich also meine Sparrate verringern müssen, weil etwas Unvorhergesehenes passiert, dann kann ich mein ETF-Depot trotzdem aus sich selbst heraus mit weiteren Anteilen füttern. Trotz dessen, dass die Sparrate also wegfällt, wird die Sparrate weitergeführt.
Das ist natürlich ein stückweit Selbstbetrug, weil ich bei einem Thesaurierer die Dividende auch reinvestiere, nur eben bevor ich sie aufs Konto bekomme.
Dennoch trägt es zu meinem Wohlbefinden bei (Psyche ist halt auch bei einem Waschbär ein wichtiger Faktor), gleichzeitig hat es aber einen weiteren Vorteil, auf den ich gleich noch eingehe.
Außerdem habe ich ein Aktiendepot, welches aus Titeln mit höherer Dividendenrendite, soliden Dividendentiteln und aus Dividendenwachstumstiteln besteht. Die höhere Dividendenrendite nutze ich, um überhaupt zusätzliches Einkommen zu generieren und mein Portfolio damit zu verbreitern. Die Dividendenwachstumstitel werfen jetzt natürlich noch nicht so viel ab, deren Zeit kommt dann erst später. Sie sind quasi ein Investment in die Zukunft.
Um also überhaupt erstmal zu diversifizieren gehe ich etwas höheres Risiko ein, welches durch solide Dividendenaktien ausgeglichen wird (in der Gesamtansicht).
Mir ist klar, dass ich damit nicht den Markt schlage. Das ist jedoch auch nicht meine Intention. Das Aktiendepot führe ich, um monatlich unterschiedliche Dividenden zubekommen. Es macht einfach Spaß so viele Unternehmen im Portfolio zu sehen.
Das alles führt mich dann zum wichtigsten Grund: Finanzielle Freiheit.
Wie weiter oben beschrieben, ist auch dieses Thema sehr individuell.
Was bedeutet finanzielle Freiheit (für mich)?
Für viele (vielleicht auch die Meisten) bedeutet finanzielle Freiheit nicht mehr arbeiten gehen zu müssen, von passivem Einkommen zu leben und sich keine Gedanken mehr um die finanzielle Zukunft machen zu müssen.
Das setzt natürlich eine hohe Sparquote und/oder einen sparsamen Lebensstil voraus (oder natürlich ein sehr glückliches Händchen beim Investieren).
Für mich beginnt finanzielle Freiheit schon früher und ich möchte es erweitern und nicht nur von Freiheit, sondern auch von Sicherheit sprechen. Das ist natürlich sehr subjektiv und jemand, der auf reine Wachstumstitel fokussiert ist, wird sich ebenfalls sicher oder frei fühlen. Daher nochmal auch hier: Das ist sehr individuell und jeder Mensch ist einfach unterschiedlich.
Ich setze mir kleine „Ziele“ und sobald die erreicht sind, werden sie vergrößert. Dabei weiß ich einfach, dass ich kann aber nicht muss und das ist für mich eine gewisse, wenn auch kleine, Sicherheit.
Als Beispiel: Ich möchte mir jede Woche nur von Dividenden 1kg Bananen kaufen können, damit ich meine Pizza einpacken kann. Das nächste Ziel wäre dann zusätzlich 1kg Karotten pro Woche, damit ich auf einem Esel zum Supermarkt reiten kann, usw. (🖕🏻)
Meine Ziele zu Beginn: Einmal im Monat Essengehen (richtig, nicht nur Mäcces). Dann Fitnessstudiomitgliedschaft (aufm Dorf ist das teurer als in der Stadt) von Dividenden zahlen lassen. Dann Internet- und Handyvertrag zahlen lassen, usw.
Zu wissen, dass ich das theoretisch in Zukunft von Dividenden zahlen lassen kann ist einfach gut.
Mein Auto ist aktuell 20 Jahre alt. Ich benötige es zwingend. Es ist stets zuverlässig, aber es könnte genauso gut morgen auseinander fallen. Zu wissen, dass ich dann einfach spontan in ein Autohaus gehen und mir ein Auto leasen könnte, während die Leasingrate von Dividenden gezahlt wird ist einfach beruhigend.
Auch könnte ich einen Urlaub planen. Endlich mal zu Barstens Beerbar und die ganze Reise nur bezahlt von Dividenden. Klar ginge da eine Jahresdividende drauf aber es wäre möglich auch ohne, dass ich vom Gehalt etwas explizit für Urlaub zurücklege.
Nächste Ziele: Kreditrate für das Haus zahlen, 450€ Job ersetzen, etc.
So vergrößere ich die Ziele und das ermöglicht mir eben bereits jetzt eine gewisse finanzielle Freiheit. Ich habe die Möglichkeit das Geld für all das zu verwenden. Solange ich aber nicht will (oder muss), werden die Dividenden re-investiert. Die Sicherheit die sich für mich dadurch ergibt ist: Sollte sich mein verfügbares Einkommen verringern (steigende Preise, geringeres Gehalt durch gezwungenen Jobwechsel, etc.) und ich nur noch von Gehalt zu Gehalt leben kann, dann weiß ich, dass ich mir durch die Dividenden ohne weiteres Zutun trotzdem hier und da gewisse Dinge leisten kann. Auch ohne Anteile zu verkaufen und damit die Rendite unwiederbringlich zu kürzen.
Zusammenfassung
Der ausschlaggebende Punkt und damit schließt sich der Kreis zur Eingangsfrage, ist also weitestgehend: Was ist mein Ziel für die Zukunft?
So individuell diese Antwort ist, so individuell ist jede Strategie.
Daher ist es völlig egal ob man mit 20 Jahren eine Dividendenstrategie fährt oder mit 75 noch voll auf Wachstum setzt. Niemand kennt die Gründe dafür und diese lassen sich auch nur sehr schwer, wenn überhaupt, darlegen.
Meine Strategie ist natürlich nur eine von vielen. Ich hoffe dennoch, dass es @Fabzy nun etwas klarer ist, wieso man in jungen Jahren eine reine Dividendenstrategie fahren könnte.
Langsame Schildkröten brauchen manchmal einfach etwas länger 😊
Ich wünsche euch einen schönen Abend zur Wochenmitte.
#dividende
#dividendenstrategie
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