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Basiswissen: Rule of 40 – Quick Guide für Wachstumsaktien

Lesedauer: 8 Minuten

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Wachstumsunternehmen sind das Herzstück moderner Kapitalmärkte – aber sie sind schwer zu bewerten. Klassische Kennzahlen wie KGV oder Kurs-Buchwert stoßen an ihre Grenzen, wenn Firmen Verluste schreiben, um Märkte zu erobern. Genau hier setzt die Rule of 40 an: eine einfache, aber erstaunlich aussagekräftige Kennzahl, die Wachstum und Profitabilität in ein Verhältnis setzt – und damit zeigt, ob ein Geschäftsmodell ökonomisch tragfähig ist.


Die Regel selbst ist schlicht:

Umsatzwachstum (%) + operative Marge (%) ≥ 40.


Erreicht oder übertrifft ein Unternehmen diese Schwelle, gilt es als effizient und balanciert – es wächst stark, ohne dabei übermäßig Kapital zu verbrennen. Liegt der Wert deutlich darunter, droht ein Ungleichgewicht zwischen Expansion und Wirtschaftlichkeit.


Die Kennzahl stammt ursprünglich aus der US-Softwarebranche, vor allem von SaaS-Unternehmen, die häufig noch keine Gewinne ausweisen, aber stark wachsen. Investoren suchten dort nach einer Möglichkeit, um Wachstum und Effizienz in einem Maßstab zu verbinden. Die Rule of 40 liefert genau das – einen einfachen Effizienzindikator.


Ein Beispiel verdeutlicht das Prinzip:


  • Firma A wächst um 50 %, hat aber eine operative Marge von –20 % → Score 30.
  • Firma B wächst um 25 %, erzielt +20 % Marge → Score 45.


Obwohl Firma A stärker wächst, ist Firma B klar effizienter – und meist langfristig stabiler. Entscheidend ist das Verhältnis, nicht die Höhe des Wachstums allein.


In der Praxis gilt:


  • > 50 %: außergewöhnlich stark, Wachstum und Profitabilität im Gleichgewicht.
  • 40–50 %: solide, nachhaltig und kontrolliert.
  • 30–40 %: akzeptabel, aber oft zyklisch oder margenschwach.
  • 20–30 %: fragil, Effizienzprobleme erkennbar.
  • < 20 %: kritisch, Modell meist unausbalanciert.


Bei typischen SaaS-Unternehmen gilt ein Wert über 40 % als Zeichen eines reifen, effizienten Geschäftsmodells.


Beispiele aus der Praxis:


  • $SNOW (-0,97 %) (Snowflake): Umsatzwachstum ~34 %, operative Marge ~12 % → Score 46.
  • $CRM (-0,71 %) (Salesforce): Wachstum ~11 %, Marge ~30 % → Score 41.
  • $PLTR (-7,97 %) (Palantir): Wachstum ~45 %, operative Marge ~12 % → Score 57.
  • $APPN (-1,03 %) (Appian): Wachstum ~15 %, Marge –20 % → Score –5.
  • $V (-0,3 %) (Visa): Wachstum ~10 %, operative Marge ~67 % → Score 77 – außergewöhnlich effizient, kaum zyklisch.


Die Kennzahl funktioniert jedoch nicht überall. Sie ist auf skalierbare, digitale Modelle zugeschnitten, bei denen hohe Fixkosten durch steigende Umsätze schnell gedeckt werden. In kapitalintensiven oder zyklischen Branchen verliert sie an Aussagekraft.


Beispiele, wo sie nur eingeschränkt funktioniert:


  • Industrie & Hardware: Schwankende Margen durch Konjunkturzyklen, z. B. bei $VRT (-3,19 %) (Vertiv) oder $ASML (-0,99 %)

  • Versorger & Energie: Fokus liegt auf Stabilität, nicht auf Wachstum – ein Wert über 40 % wäre hier eher verdächtig.
  • Biotech & Frühphasen-Tech: Geringe Umsätze und hohe Entwicklungsaufwände machen die Kennzahl kaum nutzbar.
  • Konsum- & Plattformmodelle: Starke Marketingausgaben können den Score kurzfristig verzerren, weshalb ein geglätteter Mehrjahreswert aussagekräftiger ist.


Die Rule of 40 misst also keine Bewertung, sondern Effizienz. Sie hilft, Wachstumsunternehmen zu vergleichen und einzuschätzen, ob Expansion vernünftig oder teuer erkauft ist.


Manche Analysten nutzen inzwischen erweiterte Varianten:


  • Free-Cashflow-Marge statt operativer Marge → stärkerer Fokus auf Liquidität.
  • Rule of 50 als Premiumfilter für besonders effiziente Wachstumsunternehmen.
  • Trendbetrachtung über mehrere Jahre → steigende Scores zeigen operative Reife.


In meinem Hidden Quality Radar (HQR)-Modell fließt die Kennzahl in die Dimension Wachstum & Rentabilität ein:


  • Werte über 40 erhalten hohe Punktzahlen.
  • Werte zwischen 30 und 40 gelten als neutral.
  • Werte unter 30 werden kritisch hinterfragt.


Auch im 10B-Modell (Tenbagger-Ansatz) dient die Kennzahl als Stabilitätsfilter. Ein Unternehmen mit hohem Umsatzwachstum, aber Rule-of-40-Score unter 20, ist selten ein nachhaltiger Tenbagger – meist nur eine spekulative Wette.


Unterm Strich ist die Rule of 40 kein Dogma, aber ein hilfreicher Kompass. Sie zwingt zu Disziplin – sowohl beim Management, das profitables Wachstum anstrebt, als auch bei Anlegern, die Substanz von Hoffnung trennen wollen. Gerade in Zeiten steigender Zinsen und Kapitaldisziplin wird sie wieder wichtiger.


Fragen an die Community:


Welche eurer Portfoliowerte erfüllen aktuell die Rule of 40 – und wie stabil bleiben sie über mehrere Quartale hinweg?

Findet ihr die Kennzahl auch außerhalb des SaaS-Sektors sinnvoll – etwa bei Industrie- oder Infrastrukturwerten?

Nutzt ihr die Rule of 40 aktiv in eurer Analyse, oder ist sie für euch eher ein theoretischer Richtwert?

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17 Kommentare

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Danke Mal wieder für den interessanten Bericht. Ich nutze diese Kennzahl wenig, da sie bei meiner überwiegenden Small Cap Strategie, wie Du auch schreibst schnell an ihre Grenzen stösst. Neben Biotechnologie Werten fallen mir da als erstes Rohstoffirmen ein, die noch grosse Projekte in der Explorationsphase haben. Kaum Umsatz und hohe Kosten. Überhaupt nicht anwendbar ist sie bei den ganzen Treasury Unternehmen. Aber andere hier die nach Wachstumsaktien suchen wie @Tenbagger2024 nutzen die bestimmt.
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@Multibagger danke einmal mehr für deine Einordnung und für die wie immer wertvollen Ergänzungen
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Super Bericht wie immer, ich achte nicht immer drauf aber es ist bei vielen Wachstumsfirmen sehr wichtig. Bei mir erfüllen sehr viele Firmen die rule of 40 wie Nvidia, tsmc, eli Lily.
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Meint Marge in Prozent die VERÄNDERUNG der Marge oder die Marge absolut in Prozent?

Frage für einen NVIDIA-Freund.
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@Charmin sag deinen NVIDIA Freund: es meint die Marge absolut :)
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@Liebesspieler Der NVIDIA-Freund hat gefragt, ob ein Wert von knapp 100 gut ist …
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@Charmin was glaubt er denn 😉
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@Liebesspieler Der denkt, dass er sich verrechnet hat …
Spannend. Ich hab mal interessehalber die KI über meine Depot-Positionen laufen lassen und mir die Ro40s berechnen und sortieren lassen. Ein paar Unternehmen, wie Amazon, Uber, Iren, Baidu bleiben beim Wert <30, die man dort intuitiv vielleicht nicht erwartet hätte. Wenn man weiß, wie und wo die Ro40 sinnvoll einsetzbar ist, find ichs eine spannende zusätzliche Kennzahl. Danke für deine Mühen 👍
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Falls es jemanden interessiert, hier das was mir die KI für meine Depot-Positonen zusammengestellt hat (nur mal so als Orientierung, ich hab die Werte auch nicht händisch kontrolliert):

> 50 %
• Robinhood — 45.0% + 44.39% = 89.39%. 
• SoFi Technologies — 37.8% + 15.6% = 53.4%. 
• Nu Holdings — 14.2% + 54.14% = 68.34%. 
• Eli Lilly — 53.9% + 47.65% = 101.55%. 
• MSCI Inc. — 9.5% + 56.42% = 65.92%. 
• Novo Nordisk — 12.9% + 43.52% = 56.42%. 
• Futu Holdings — 79.3% + 67.78% = 147.08%. 
• Bloom Energy — 57.1% + 1.51% = 58.61%. 
• Taiwan Semiconductor (TSMC) — 30.3% + 50.58% = 80.88%. 
• Hims & Hers — 72.6% + 4.91% = 77.51%. 

40–50 %
• MercadoLibre — 39.5% + 9.77% = 49.27%.
• Alphabet — 15.9% + 30.51% = 46.41%.

30–40 %
• ASML — 0.7% + 32.84% = 33.54%.
• CTS Eventim — 22% + 15.27% = 37.27%.
• Badger Meter — 13.1% + 19.57% = 32.67%.
• Waste Management — 14.9% + 18.87% = 33.77%.
• Xiaomi — 30.5% + 8.61% = 39.11%.


< 30 %
• Iren Ltd — 23.2% + 6.47% = 29.67%.
• Uber — 18.2% + 11.46% = 29.66%. 
• Oscar Health — 29.0% + (-8.05%) = 20.95%. 

• Lemonade — 27.0% + (-23.52%) = 3.48%. 
• Baidu — (-3.6%) + 10.02% = 6.42%. 
• Amazon — 13.4% + 9.67% = 23.07%. 
• Alibaba — 1.8% + 14.13% = 15.93%. 
• Sprouts Farmers Markets — 13.1% + 7.15% = 20.25%. 
• Atai Lifesciences — 163.4% + (sehr große negative operative Marge aufgrund sehr kleinem Umsatz und hohen Opex) → stark negativ (weshalb Rule of 40 hier massiv negativ). 
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@investment_guru_2035 danke für die Aufstellung. Es sind ja viele Werte dabei, die die Rule of 40 erfüllen.
Losgelöst davon: mir gefällt dein Portfolio sehr gut
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Ich bin vor einigen Wochen drauf gestoßen, aber konnte leider keinen Screener entdecken, wo man sie ohne Premium Abo aktuell einsehen kann. Ist dir was bekannt?
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@Iwamoto leider nein. Auf der anderen Seite kann man die Kennzahl wunderbar als einen Schritt zur Überprüfung von Ideen verwenden.
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Bei Unternehmern für meinen Core schaue ich auch viel in die Vergangenheit um zu sehen welche Unternehmen mit Stabilität überzeugen konnten. Was für ein stabiles Geschäftsmodell spricht, sprich Burggraben.
Bei meinen Satelliten schaue ich mehr in die Zukunft. Meine Lieblingsmarge ist die EbiT Marge. Hier ist mir wichtig eine Steigerung. Dadurch sollte das KGV sinken, falls es schon Gewinn gibt. Gerne sehe ich wenn das PEG unter oder um die 1 liegt. Dann setze ich Free Cashflow ins Verhältnis zum Gewinn, beides sollte besser steigen als der Umsatz. Die EBit Marge kann ich gut mit Mitbewerbern vergleichen. Hier liegt im Automobil Sektor Ferrari mit über 30% an der Spitze, und zeigt, dass Ferrari kaum Wettbewerber hat. Somit zeigt die EbiT Marge auch eine gewisse Dominanz. Das Capex sollte noch in einem gesunden Verhältnis zum Gewinn stehen, vielleicht kann der Liebe Liebesspieler hier eine Kennzahl benennen.
Weil dieses schlechte Verhältnis hat Meta jetzt bei den Zahlen ein wenig nach unten gedrückt. Ansonsten schaue ich mir noch das Momentum der Aktie an.
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@Tenbagger2024 Sehr starke und reflektierte Herangehensweise – vor allem die Kombination aus historischer Stabilität (Core) und Zukunftsorientierung (Satelliten) zeigt, dass du dein Portfolio wirklich strategisch strukturierst. Die Fokussierung auf EBIT-Marge, PEG und Free-Cashflow-Dynamik ist extrem sauber, gerade im Kontext von Qualitäts- oder Burggraben-Unternehmen wie Ferrari.

Spannend finde ich deine Ergänzung zu Capex-Effizienz – das wird tatsächlich oft übersehen.
Wie stark gewichtest du diesen Faktor im Verhältnis zu Free Cashflow und Marge, wenn du zwischen reinen Wachstumswerten und etablierten Qualitätsunternehmen unterscheidest?
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@Liebesspieler
Ich denke Capex ist von Unternehmen zu unternehmen verschiedenen. Und du kannst am Beispiel von Meta sehen wie die Investoren diesen höheren Capex Aufwand , verglichen mit Microsoft und Alphabet, sofort abstrafen. Wobei ich es als übertrieben ansehe. Und langfristig könnte Meta sogar dadurch der Gewinner sein. Falls das Capex zu 100% in sinnvolle Projekte fließt und nicht verbrannt wird.
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