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Aktienanalyse – Europas effizienteste Airline im Bewertungscheck

Lesedauer: ca. 5 Minuten

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Viele meiner letzten Beiträge drehten sich um Kennzahlen, Modelle und Bewertungslogiken – und wie man damit Unternehmen systematisch einordnet. Ich überlege schon länger, ob Ryanair eine gute Ergänzung für mein Portfolio sein kann. Genau deshalb eignet sich die Airline besonders gut, um zu zeigen, wie sich ein etabliertes Geschäftsmodell durch HQR-Logik, 10B-Ansatz, fundamentale Kennzahlen und ein klar abgeleitetes Szenariomodell bewerten lässt.


Ryanair $RYAAY (-0,45 %) / $RYA (-0,51 %) gilt auf den ersten Blick als klassisches Low-Cost-Unternehmen. Hinter diesem einfachen Konzept steckt jedoch ein über Jahrzehnte optimiertes Effizienzmodell. Die vollständige Standardisierung auf Boeing-737-Flugzeuge, extrem schnelle Turnarounds, strikte Kostendisziplin und eine stabile Logik aus Zusatzumsätzen – von Gepäck über Sitzplatzwahl bis zu Partnerdiensten – bilden einen operativen Rahmen, der in Europa nahezu konkurrenzlos ist. Die Stärke dieses Modells liegt weniger im Preissetzen als in der konsequenten Umsetzung einer klaren Kostenführerschaft.


Über Tochtergesellschaften in Irland, Malta, Polen und Großbritannien kann Ryanair Kapazitäten flexibel verschieben und Strecken je nach Nachfrage neu gewichten. Mehr als 200 Millionen Passagiere pro Jahr erzeugen Skaleneffekte, die nachhaltig wirken und schwer kopierbar sind. Genau deshalb ist der Burggraben weniger spektakulär als effektiv: eine große, standardisierte Flotte, eine extrem disziplinierte Organisation und ein Geschäftsmodell, das in sich geschlossen funktioniert.


Die aktuellen Geschäftszahlen untermauern diese Konstruktion. Im FY25 erzielte Ryanair 13,95 Milliarden Euro Umsatz und 1,61 Milliarden Euro Gewinn. Im laufenden Halbjahr liegt das Ergebnis bereits oberhalb von 2,5 Milliarden Euro. Die Bilanz weist rund zwei Milliarden Euro Nettoliquidität aus, die Eigenkapitalquote bewegt sich weiterhin im Bereich von 40 Prozent. Die operative Marge liegt bei 14 bis 15 Prozent – und damit spürbar über dem Niveau des Vorjahrs.


Die wichtigsten Kennzahlen im Überblick:


  • KGV (TTM): ca. 13,4
  • KGV (Forward): ca. 12,5
  • KUV: ca. 1,9
  • EV/Sales: ca. 1,78
  • EV/EBITDA: ca. 7,8
  • Free-Cashflow-Yield: ca. 7,4 %
  • ROE: ca. 27 %
  • ROIC: ca. 13 %
  • Debt/EBITDA (brutto): ca. 0,69
  • Operative Marge (TTM): ca. 14–15 %
  • PEG-Ratio: ca. 0,74
  • Rule of 40: ca. 29 %


Das deutsche Listing (ISIN IE00BYTBXV33 / $RYA (-0,51 %)) notiert im Bereich von 25 bis 26 Euro. Das US-ADR-Listing ($RYAAY (-0,45 %) ) liegt zuletzt bei 68,16 US-Dollar und dient als Referenz für die meisten Analystenmodelle, da dort das höchste Handelsvolumen stattfindet. Bewertungskennzahlen wie das KGV sind unabhängig von der Währung, Kursziele werden jedoch in USD berechnet und später auf Euro übertragen.


Für die Gewinnpfade der kommenden Jahre bietet der aktuelle Stand einen brauchbaren Ausgangspunkt. Das Ergebnis je Aktie liegt bei rund 4,25 US-Dollar. Der Verkehr wächst stabil, die Zusatzumsätze je Passagier steigen, und die operative Marge hat sich nach zwei volatilen Jahren wieder gefestigt. Aus diesem Dreiklang ergibt sich ein neutraler Erwartungswert, der im Bereich von rund fünf Dollar liegt. Damit ist gemeint, dass Ryanair sein Kerngeschäft fortführt, ohne zusätzliche positive oder negative Impulse.


Ein bullisches Ergebnisniveau setzt voraus, dass mehrere Faktoren gleichzeitig konstruktiv wirken: ein stabileres Treibstoffumfeld, unveränderte oder nur moderat steigende Gebühren in Italien, Spanien und Großbritannien sowie eine verlässlichere Lieferperformance bei Boeing. Dies würde der Marge zusätzlichen Spielraum geben und die Nachfrageentwicklung am oberen Rand der bisherigen Erwartungen verankern. In einem solchen Umfeld sind Ergebnisse zwischen 6,0 und 6,4 US-Dollar pro Aktie realistisch.


Auf der anderen Seite gibt es die zyklischen Risiken, die Airlines verlässlich begleiten. Höhere Kerosinpreise, regulatorische Eingriffe oder erneute Verzögerungen im Flottenprogramm können die operative Marge belasten und das Wachstum temporär drücken. Unter diesen Bedingungen bewegt sich das Ergebnis eher zwischen 3,8 und 4,2 US-Dollar – ein Bereich, der historisch gut durch vergleichbare Jahre gedeckt ist.


Die drei Szenarien führen mich in der Summe durch Gewichtung der 3 Szenarien zu einem Zielwert nahe 66 bis 67 US-Dollar:


  • Bullish (25 %, Eintrittswahrscheinlichkeit: eigene Einschätzung):
  • EPS 6,0–6,4 USD → Kursziel 90–102 USD
  • Neutral (50 %, Eintrittswahrscheinlichkeit: eigene Einschätzung):
  • EPS 5,0–5,3 USD → Kursziel 60–70 USD
  • Bearish (25 %, Eintrittswahrscheinlichkeit: eigene Einschätzung):
  • EPS 3,8–4,2 USD → Kursziel 35–42 USD


Aus HQR-Perspektive ist Ryanair eindeutig als Qualitätswert einzustufen: hohe Kapitalrenditen, robuste Bilanz, starke operative Struktur. Das Under-the-Radar-Potenzial bleibt gering, da der Markt das Unternehmen seit Jahren kennt und die Kennzahlen weitgehend transparent sind. Im 10B-Modell zeigt sich das gleiche Muster: ein klarer Burggraben, aber kein struktureller Hebel für eine Neubewertung. Ryanair ist effizient, stabil und vorhersehbar – aber nicht strukturell unterbewertet.


Für mich ergibt sich daraus kein unmittelbarer Kauf. Die Bewertung ist fair, nicht günstig. Die operative Stärke ist sichtbar und wird entsprechend honoriert. Ryanair bleibt ein hochwertiger Wert, der erst bei einem attraktiveren Einstiegsniveau mit einem ausreichenden Sicherheitspuffer interessant wird. Bis dahin bleibt die Aktie für mich ein Watchlist-Kandidat.

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8 Kommentare

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Mein Lieber,
Deinen Beitrag lese ich mir später durch.
@SAUgut777 hat eine Idee um Beiträge zu sammeln. In einer Art Lexikon.
Darf er deine tollen Beiträge auch integrieren und würdest du ihm vielleicht helfen.
Dann setz dich bitte mit ihn in Verbindung.
Desweiteren habe ich dich auf die Berater Liste , für Multiples und Kennzahlen gesetzt . Bist du damit einverstanden?
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@Tenbagger2024 klar ist das in Ordnung. Danke das du an mich denkst :)
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Danke für Deine Analyse. Für mich ist das auch kein Investmentcase. An die bullische Variante glaube ich nicht und die Andere hat für mich zu wenig Dynamik.
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Wie sieht es bei denen bezüglich Verschuldung/ Wert aus? Mir ist letztens bei meiner Analyse zur $LHA nämlich aufgefallen das die Lufthansa aktuell mit ca 9-10mrd bewertet wird allerdings der aktuelle Wert abzüglich aller Schulden schon bei 14 mrd liegt
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@Hotte1909 danke für die Frage – der Vergleich mit Lufthansa ist hier tatsächlich interessant, weil beide Unternehmen bilanziell völlig unterschiedlich dastehen. Ryanair arbeitet seit Jahren mit einer Nettocash-Position, also mehr Liquidität als verzinsliche Schulden. Das Debt/EBITDA liegt auf Bruttobasis bei rund 0,7, netto aber klar unter null. Dadurch fällt der Enterprise Value kaum höher aus als die Marktkapitalisierung.

Bei Lufthansa ist die Mechanik umgekehrt: hohe Leasingverbindlichkeiten, deutlich höherer Schuldenblock und ein entsprechend größerer Abstand zwischen Market Cap und EV. Genau deshalb wirken Bewertungen oberflächlich vergleichbar – bilanziell liegen aber Welten dazwischen. Ryanair hat hier klar den strukturell stabileren Unterbau.
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@Liebesspieler ok danke für die Einschätzung/Erklärung. Ich fand Lufthansa aus genau meinen Beschriebenen Grund halt interessant, da das Betriebsvermögen incl cash Positionen die Verbindlichkeiten um 14 mrd übersteigt und dazu die 9 mrd Bewertung ergibt luft für 5mrd nach oben
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Irgendwie können mich Airlines absolut nicht begeistern.
Bin da eher bei Flugzeugbauer und Zulieferer.
Aber danke für die Analyse
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@Tenbagger2024 ich habe bei der Analyse auch wieder gemerkt, warum ich noch nie in dieser Branche investiert war. Ryanair wäre für mich auch wirklich der einzige Kandidat. Wie beschrieben ein gutes Unternehmen :) bei einem guten Abschlag eine Überlegung wert, so erstmal nicht
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