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Betriebliche Altersvorsorge Teil 2: Doch eine Totgeburt?


Erst einmal vielen Dank für die vielen positiven Rückmeldungen und hilfreichen Kommentare zu meinem letzten Beitrag. Besonders die Hinweise von @Dr27589 haben mich auf bedeutende Fehler und blinde Flecken meiner Berechnungen hingewiesen. Die möchte ich jetzt korrigieren.


Meine Irrtümer - und eine Richtigstellung


1. Steuern: Ich bin bei der Besteuerung des Auszahlungskapitals wohl von den Regeln der privaten Rentenversicherung ausgegangen. Das ist aber falsch! Das Kapital der bAV wird mit dem persönlichen Einkommensteuersatz des Auszahlungsjahres besteuert (sonstiges Einkommen). Wo der bei 200.000€ Auszahlung stehen wird, ist nicht ganz eindeutig. Es gibt z. Z. noch die "Fünftelregelung", d. h. das Kapitaleinkommen wird auf 5 Jahre gesteckt, so dass 40.000€ pa zusätzliches Einkommen zu besteuern sind. Der Spitzensteuersatz steht z. Z. bei 42%, der Grenzsteuersatz für Senioren liegt wohl bei 30%. Und was 2044 sein wird, weiß eh keiner. Ich gehe mal niedrig von 30% aus, was bei 200.000€ Einkommen 12.000€pa für 5 Jahre oder insgesamt 60.000€ wären.


2. SV-Beiträge: Weiterhin bin ich davon ausgegangen, dass man nur die eingesparten SV-Beiträge (15% GKV + 3% PV) zurückzahlen muss. Pustekuchen. Die 18% SV Beitage werden auf das gesamte Auszahlungskapital angerechnet - auch auf die Kapitalgewinne! Und zwar wird die Summe des Auszahlungskapitals auf 10 Jahre/ 120 Monate aufgeteilt, die SV-Abgaben auf diese 120 Monate berechnet und die dann monatlich vom Konto abgebucht. Laut Rechner von Test.de wären das bei 200.000€ Auszahlung 300€pM SV Beiträge für 10 Jahre, dh. insges. 36.000€.


3. Rentenpunkte: Der Verlust an Rentenansprüchen durch die "Umleitung" der RV-Beiträge in die bAV ist größer als ich zunächst dachte. Der Onlinerechner sagt bei 300€pM Einzahlung auf 20 Jahre eine Einbuße von 80€pM voraus. Auf 20 Rentenjahren gerechnet sind das knapp 20.000€.


4. Kein Irrtum, aber ich will es nochmals gesagt haben. Es gibt ja die Freibeträge in der Auszahlungsphase, auf die man keine Steuern und keine SV Abgaben zahlen muss. Die sollten 2044 bei ca. 300€pM liegen. Die Voraussetzung dafür ist allerdings die Entscheidung zur Garantierente. D. h. man überträgt sein Kapital komplett der Versicherung und die zahlt dann dafür eine monatliche Rente, das sind ca. 3%pa auf das Ausgangskapital. Man muss also schon Metusalem in einer Welt ohne Inflation werden, damit das was bringt. Vererben ist nicht. Ein absoluter Dealbreaker und nicht zu empfehlen.


Die korrigierten Berechnungen


bAV 300€pM brutto/ 150€ netto:

Einzahlungen 2024-44: 72.000€

Sparkapital bei 7%pa: 149.700€

bAV Kosten: 4.900€

Steuern (30%): 43.400€

SV Abgaben (lt. Rechner): 140€pM = 16.800€ (10 Jahre)

Verlust Rentenansprüche (lt. Rechner): 80€pM = 19.200€ (20 Jahre)


Endsumme: 65.400€

vs. Broker (150€pM, 7%): 70.300€.


bAV 600€pM brutto/ 300€pM netto

(ich machs kurz:)


Endsumme: 151.200€

vs. Broker (300€pM, 7%): 175.900€.


Fazit

Mein lieber Scholli! Das hätte ich nicht gedacht, dass sich unser Staat solch ein hinterhältiges System hinter einer Wand an komplizierten Regeln zum Schröpfen seiner Bürger ausdenkt. De facto lässt der Staat den Kapitalhebel und den Zinseszinseffekt gegen den bAV-Sparer laufen, so dass alle positiven Effekte dadurch verloren gehen.


Also selbst bei einer sehr günstigen bAV, maximalen staatlichen Förderungen und einer Traumrendite von 7%pa endet man nach 20 Jahren mit massiven Verlusten ggü. einem Broker Sparplan ACWI. Die meisten von euch dürften noch schlechter dastehen. Wer also keinen AG hat, der sein Geld in eurer bAV versenkt, sollte das Geld besser woanders anlegen. Ich werde es wohl auch tun.


Ciao, liebe Kapitalhebel, Zinsenszinseffekt und Steuerersparnis! Ich suche euch woanders! Ich lass es euch wissen, wenn ich was gefunden habe. Nächste Station wahrscheinlich meine private Rentenversicherung. 🫣


Euer Epi

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85 Kommentare

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Vielen Dank für deinen Post! Der Aufwand für dich selbst ist das eine. Das ganze in eine für den geneigten Leser gut verständliche Form zu verpacken und niederzuschreiben, eine andere.

Ein Post, der den Mehrwert dieses Forums deutlich aufzeigt!
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Freut mich, dass ich helfen konnte :)
Durch den AG-Zuschuss von min. 15% würde ein Eigenanteil von 255€ Brutto/Monat ausreichen, um auf die tatsächliche Investitionssumme von 300€/Monat zu kommen. Wenn dein AG mehr zahlt, reduziert sich dadurch natürlich dein Eigenanteil.
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Danke für deine Mühe. Ich habe eine BAV die mir mein AG on Top "geschenkt" hat seinerzeit und ich freiwillig nichts weiter einbezahlt habe. Ich werde Ende des Jahres aufhören in der Firma und insgesamt mit Arbeiten und das Teil dann wohl beitragsfrei stellen oder kündigen. Ich glaube kündigen ist besser und das kleine Geld das ich bekomme werde ich bis zum offiziellen Rentenbeginn in 7 Jahren stumpf in einen ETF stecken. Ich kann nach der Kündigung ja mal berichten wieviel von dem Geld das mein AG eingezahlt hat in den letzten 12,5 Jahren ich rausbekomme. Ich ahne jetzt schon schreckliches.....
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Um es relativ kurz auf den Punkt zu bringen.
Kann man nicht generell sagen um so mehr Menschen in eine Sache involviert sind um so weniger Rendite kommt am Ende dabei heraus.
Alle diese Menschen wollen bezahlt werden und an den Verträgen noch verdienen und am Ende kann der jenige welcher den Vertrag abschließt froh sein noch ein wenig Plus dabei zu machen.

Also machen wir am besten unser eigenes Projekt ohne viele daran zu beteiligen.

Es sei denn das Projekt heißt
Berkshire Hathaway

Hier fällt aber auf das sich Buffet selber ein doch relativ geringes Gehalt ausbezahlt und auch versucht die Mitarbeiteranzahl der Holding überschaubar zu halten.
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Vielen Dank für deinen Post!
Ich hatte auch vor ca einem halben Jahr eine Beratung zu einer baV und war ebenfalls erschrocken, wie viel dann am Ende übrig blieb.
Dazu waren die Kosten viel viel höher als bei deinem Beispiel.

Naja jetzt spare ich weiter in einen ETF/ins Depot als Altersvorsorge!
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...das verrückte ist ja, dass es für den gemeinen Arbeitnehmer (z.B. mich) fast unmöglich ist auszurechnen, was sich mehr lohnt. Zumindest nicht ohne wochenlanger Recherche und Unterstützung von Leuten, die tief im Thema sind.

Ich kann in einer U-Kasse bis zu 150€/Monat anlegen, wovon der AG 50% übernimmt. Dazu in einer Direltversicherung nochmal 150 bei 20% Zuschuss vom AG. Wenn ich beides mache, bekomme ich zusätzlich 2.000€ Bonus p.a.
Klingt erstmal super. In 2023 (in der ein MSCI Wolrd ~20% macht, hat die Allianz das dann mit starken 3,4% verzinst.
Der Berater der Allianz sagt mir nach 10 Jahren, es wäre angeblich nicht möglich mir aufzuzeigen, wie viel Rendite meine BAV in 10 Jahren erwirtschaftet hat (ein Schelm, wer böses dabei denkt...)
Umsteigen auf den neuen Allianztarif ist möglich, dann würden bis zu 60% der Einzahlung in ETFs meiner Wahl gehen (gesetzliches Max.). Nur muss man dann die Abschlussgebühren für den neuen Vertrag nochmal voll zahlen.

Nun muss man noch gegenrechnen, wie viel der Zuschuss des AG ausmacht, ob die Rente reduziert wird, ob eine PKV dazu noch Sinn macht und mehr Geld raus holt.... spätestens hier hört ja jeder Normale auf und hofft einfach, dass am Ende schon Geld rauskommen wird.... aber von voller Transparenz kann man hier nicht sprechen.
10 Jahre lang habe ich einfach akzeptiert dass der gesamte Zuschuss vom AG schon top sein wird...und dann zur Rente (irgendwas an) Geld da sein wird, selbst wenn ich alles andere in meinem Leben verzocken sollte... quasi ein gesichertes Alternativasset, was gegen Drugs&Rock'n'Roll stand hält. Für diese Sicherheit verdient eben die Allianz mit ;-)
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Epi zunächst vielen Dank für deinen Einsatz. 👍🏻 …habe dies zum Anlass genommen meinen bAV Vertrag bei der Allianz mal anzuschauen. Ich hatte den noch im Dezember 2004 vor der Steuerreform abgeschlossen. (mit 20 Prozent Pauschalversteuerung durch Umwandlung eines teils meines Weihnachtsgeldes). Nach 20 Jahren habe ich 16000 Euro einbezahlt. Der Rückkaufswert liegt bei 15.900 Euro. In den letzten Jahren lag die Rendite bei ca. 3 Prozent vor Kosten. Also die Performance des Produkts ist unterirdisch. Allerdings sind die Beiträge aus dem Bruttoeinkommen bezahlt worden - mein Lohnsteuersatz liegt bei 42 Prozent. Netto habe ich somit ca. 10.000 Euro an Prämie einbezahlt. 59 Prozent Rendite in 20 Jahren sind jetzt auch nicht berauschend und ich glaube, dass ich bei Auszahlung auch noch Krankenversicherungsbeiträge nachbezahlen muss. Letztendlich werde ich das Ding aber vermutlich unverändert weiterlaufen lassen. Oder was meinen die Experten- sollte ich den Vertrag lieber kündigen oder beitragsfrei stellen? Vielen Dank schon einmal für Euer Feedback. Viele Grüße 🖖
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Ich glaube, deinen Beitrag muss ich mir morgen mal in Ruhe während meiner Teamrunde durchlesen. Ich packe momentan noch Kohle in ne private RV bei der Allianz und zweige vom Brutto 260 Eur pro Monat in das PVK. Partnerin riestert noch…
Ich glaube, es gibt viel zu tun…
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Bei uns ist die VBL Betriebsrente Pflicht. Seit dem ich mir ebenfalls die Konditionen vor geraumer Zeit durchgerechnet habe, konnte ich leider auch feststellen, daß trotz gutem AG Anteil das Geld lieber bei Mir aufgehoben ist. Mein Plan Ich lass mir den gesamten Geldhaufen zum Eintritt der Rente ausbezahlen und verzichte auf die monatlichen Beiträge...auch wenn das steuerlich ebenfalls "Aua" macht.
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