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+++ Vorabpauschale 2022 und 2023 +++


In einem Beitrag von @Johannes_J wird das Schreiben des BMF (Bundesminsterium für Finanzen) und der Basiszins zum Stand 02.01.2023 erwähnt. Bezüglich dazu und zu meinem Hinweises über die Zahlung („oder besser“ nicht zu leistende Zahlung in diesem Jahr) gab es die Nachfrage, wie genau das nun eine Rolle für thesaurierende und ausschüttende ETFs spielt.


Nachstehend dazu eine laiensteuerrechtliche Erklärung zum Thema Basiszins und Vorabpauschale.


Was ist der Basiszins für die Berechnung der Vorabpauschale?


Der Basiszins ist ein variabler Zinssatz, nach dem in Deutschland und Österreich Bewertungen für Kapitaldienstleistungen vorzunehmen ist. In Deutschland ist für die Festlegung die Deutsche Bundesbank zuständig, welche auf Basis der europäischen Zentralbankvorgabe halbjährlich (zu Beginn eines jeden Halbjahres) die Berechnungen dazu durchführt und amtlich bekannt macht.

Der Basiszins zur Berechnung der Vorabpauschale basiert auf Bundesanleihepapiere mit einer Laufzeit von 15 Jahren.


Durch die amtliche Bekanntgabe nimmt der Zinssatz eine Besonderheit ein, denn er ist der einzig amtliche Marktzins.


Der Basiszins ist ein sogenannter Bewertungszinssatz und findet zum Beispiel bei der Berechnung von Verzugszinsen und Strafen bei Gerichtsurteilen Anwendung.


Zusätzlich zu den vorstehenden Anwendungen ist der Basiszins für die Festsetzung der jährlichen Vorabpauschale auf Kapitalgebundene Anlagen entscheidend.


Was ist die Vorabpauschale?


Die Vorabpauschale ist eine mit dem Investmentsteuergesetz von 2018 (InvStG) eingeführte Regelung zur Besteuerung von Kapitalerträgen. Folge der Besteuerung ist es, dass auf den zukünftigen Gewinn bereits jährlich im Voraus, also vorab, pauschal Steuern erhoben werden.

Diese Vorabpauschale hat zur wiederum Folge, dass sie im Jahr der Veräußerung der Kapitalanlage angerechnet wird und auf den Veräußerungsgewinn nur noch der Betrag versteuert wird, welcher nicht von der Vorabpauschale erfasst wurde.


Das Ziel der Vorabpauschale ist die Steuerstundung für die Anlegenden aufzuheben. Kritisch ist hier jedoch zu beachten, dass diese nicht gänzlich aufgehoben wird, gerade wenn es sich um niedrige Basiszinssätze handelt und dabei nur ein geringer Teil bereits vorab besteuert wird und somit die Steuerstundung doch wieder in Ferne rückt, gerade mit Hinblick auf die spätere Steuerlast des Steuerpflichtigen Anlegenden.


Wie funktioniert die Berechnung der Vorabpauschale?


Für die Vorabpauschale wird der Basisertrag errechnet, danach der Basisertrag mit dem Wertzuwachs der Kapitalanlage vergleichen und anhand dessen die zu zahlende Steuer berechnet.


Beispiel an Hand eines Szenarios der Wertsteigerung im Jahr 2023 mit dem zum 02.01.2023 festgelegten Basiszins für 2023 in Höhe von 2,55% (Annahme: Thesaurierender ETF mit mind. 51% Aktienanteil, zb. MSCI WORLD/EM oder ACWI) :


Wert der Kapitalanlage zum 01.01.2023:

10.000€

Wert der Kapitalanlage zum 01.01.2024:

10.500€

Wertsteigerung:

500€

Basisertrag: 10.000€ x 2,55% (Basiszins) x 0,7 (70% des Basiszinses) = 178,50€


1) Der Basisertrag ist geringer als die Wertsteigerung von 500€ des vergangenen Jahres, daher gilt:

Verwendung des Basisertrags als zu versteuernde Vorabpauschale.


Beispiel:

Kapitalertragssteuer und darauf zu zahlende Solidaritätszuschlag: 26,375%


Steuerliche Besonderheit:

Handelt es sich um einen Aktienfond mit mindestens 51% Aktienanteil so kann dieser mit 30% Teilfreigestellt werden und es müssen nur 70% versteuert werden. Darunter fallen dann also in der Regel auch World, ACWI und EM - ETFs aber auch andere Aktienfonds.


Rechnung:


0,26375 x (0,7 x 178,50€) = 32,96€ zu zahlende Steuern


2) Ist die Wertsteigerung der Kapitalanlage niedriger als der Basisertrag, so wird die Wertsteigerung als Vorabpauschale verwendet.


Rechnung:


0,26375 x (0,7 x 500€) = 92,31€
zu zahlende Steuer


Zusammenfassung:


Die Vorabpauschale ist von allen Anlegerinnen und Anlegern zu zahlen. Die Vorabpauschale wird jedoch nur für Kapitalanlagen im Bereich Fonds und ETFs fällig. Gewinne aus Einzelaktien werden nach wie vor bei Veräußerung steuerlich berücksichtigt. Auch sind ETCs mit physischer Hinterlegung von der Vorabpauschale ausgenommen.


Wie oben ersichtlich gibt es a) zwei unterschiedliche Szenarien bei der Berechnung der Steuer (also abhängig von Höhe Basisertrag und Wertzuwachs,; 1 oder 2) und b) der steuerlichen Behandlung von Kapitalanlagen in Fonds und ETFs.


Die steuerliche Behandlung ist nämlich zusätzlich davon abhängig ob es sich um einen Aktienfonds (egal ob ETF oder klassisch) mit mindestens 51% Aktienanteil, einen Mischfonds (also geringeren Anteil als 51% Aktien, zb. Anleihen mit Aktien gemischt, hier gilt: Aktienanteil höher als 25%= 15% Teilfreistellung, darunter volle Besteuerung) oder sonstigen Fonds handelt (zb. reine Anleihenfonds oder Rohstofffonds ohne physische Hinterlegung).


Im Internet finden sich verschiedene Rechner, welche für das jeweilige Jahr eine Berechnung vornehmen können. Schaut dazu bitte in die Quellen unten stehend.


Hier wird auch zwischen ausschüttenden und thesaurierenden ETFs und Fonds unterschieden.


Für das Jahr 2021 und 2022 fielen keine Vorabpauschalen an, da die Basiszinsen in den Jahren jeweils mit einem Minus versehen waren (zuletzt -0,05%, Stand 02.01.2022) und daher keine Vorabpauschale errechnet werden konnte.


Da am 04.01.2022 (also heute) das BMF den Basiszins mit Wirkung zum 02.01.2023 bei 2,55% festgelegt hat, steht fest, das im Falle des Wertzuwachses eurer am 01.01.2023 gehaltenen Anteile der ETFs oder Fonds zum Vergleich 01.01.2024 dieser Basiszins als Grundlage für den Basisertrag Verwendung findet.


Was bedeutet das für „mich“ genau?


Solltest du einen Wertzuwachs bei deinen ETF oder Fonds haben, so halte dein Verrechnungskonto am 31.12.2023 um mindestens den zu erwartenden Steuerbetrag bereit. Die Steuer wird in der Regel ab 02.01. des folgenden Jahres (also 2024) von deinem Broker abgeführt!

Da es sich um eine hoheitliche Abgabe handelt, wird euer Verrechnungskonto auch ins Minus gehen, wenn die Deckung nicht gegeben ist. Die Strafzinsen sind für gewöhnlich sehr hoch beim Broker (gerade bei Überziehung eines Verrechnungskontos) weswegen ihr hier für ausreichend Deckung sorgen solltet.


Im Allgemeinen gilt also, dass man schon im November bzw. Dezember die Zahlung der Steuer einplanen und entsprechend einzahlen sollte. Die Abführung wird dann vollautomatisch vom Broker umgesetzt.


Solltest du zum 01.01.2024 keinen Wertzuwachs der gehaltenen Anteile vom 01.01.23 haben (weil alles den Bach runterging) so entfällt auch die Vorabpauschale. Unterjährig zusätzlich erworbene Anteile spielen vorerst keine Rolle und werden erst mit der nächsten Vorabpauschale 2024 berücksichtigt.


Ergänzung:


Ausnahmen und damit keine Steuerbelastung wenn…


  • dein Freistellungsauftrag nicht ausgeschöpft ist,
  • Du eine Nichtveranlagungsbescheinigung eingereicht hast, oder
  • nicht verrechnete, allgemeine Verluste die Steuerbelastung ausgleichen.



Wichtiger Hinweis in dieser Sache:


Die vorliegenden Informationen sind rein laienhaft betrachtet und mit dem Stand meines persönlichen Wissens veröffentlicht.

Ich habe weder eine steuerliche Ausbildung, noch kenne ich deine persönliche Steuerliche Besonderheiten, noch findet hier eine steuerliche Beratung statt. Ich informiere rein zu Selbstzweck und im Sinne der Communityrichtlinien. Ein Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit besteht nicht. Eine steuerliche Beratung kann nur euer Steuerberater geben!


Quellen:


Teilfreistellung von Fonds: https://www.fondsclever.de/ratgeber/fonds-wissen/teilfreistellung-bei-fonds/

Vorabpauschale im Gesetz:

https://www.buzer.de/gesetz/12129/a199930.htm

Basiszinssatz: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Basiszinssatz

Veröffentlichung zum Basiszins für Vorabspauschale und deren Berechnung 02.01.2023 vom BMF: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Investmentsteuer/2023-01-04-basiszins-zur-berechnung-der-vorabpauschale-gemaess-paragraf-18-absatz-4-InvStG-basiszins-zum-2-januar-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=1

Steuerrechner für Vorabpauschale:

https://www.finanzfluss.de/rechner/vorabpauschale-berechnen/


#steuern
#taxes
#learn

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35 Kommentare

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@Joris @SharkAce @Howsy @DonkeyInvestor @Michael-official @Rathi @Greenery @Iwant_money_423 wegen euer Reaktion auf das Kommentar im ursprünglichen Beitrag. 😜
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Geiler Typ wollte mich später informieren was es jetzt für Auswirkungen hat. Hat sich nun erledigt 😂❤️

@ccf
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Wollte darüber schon lange selbst einen Artikel schreiben, hab aber festgestellt, dass ich dazu keine Ahnung habe. Gut, dass du ihn geschrieben hast 😘.

Gerade das mit der Steuer, die vom Verrechnungskonto eingezogen wird, dürfte viele bei Neobrokern überraschen. Verwundert mich aber. Ich besitze seit mehr als 10 Jahren Fonds und kann mich nicht erinnern, dass irgendwann so etwas von einem meiner Konten eingezogen wurde 🤔🧐.

Wenn der tatsächliche Gewinn höher als der über die Vorabpauschale angenommene Gewinn ist, wird die verbleibende Steuerlast erst beim Verkauf beglichen, korrekt? Dazu wird die bereits gezahlte Vorabpauschale berücksichtigt!?

Gibt es gesetzliche Vorgaben, so dass mich mein Broker über die zu entrichtende Steuer informieren muss?

Insgesamt wirkt das wie ein unfassbar und anlegerfeindliches Bürokratiemonster, das jegliche Logik verweigert.

@ccf
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Danke dir. Miese abzocke nenne ich das 😁
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Super danke 🙏 auf dich ist Verlass

@ccf
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Da kannste nur den Kopf schütteln....
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@ccf

Mir fehlt das keine Anlageberatung 🫣

Keine Anlageberatung und nur meine Meinung.
Grüße

☻️
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Macht es jetzt Sinn jetzt erstmal Ausschütter zu besparen? (Habe bisher nur Thesaurierer)
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Feine Sache! Hatte ich nicht auf dem Schirm!
Good Job @InvestmentPapa ❗️

Hab mir gleich mal einen Reminder für Anfang Dezember gesetzt und werde dann nochmal in die Materie einsteigen.
mille grazie
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