Mahlzeit zusammen,
heute mal ein kleines Gedankenexperiment.
Auch wenn wir bei getquin vermutlich in einer Vergleichsweise liberalen Bubble sind, würden mich eure Gedanken zum Thema Steuern interessieren.
Primär beziehe ich mich auf das Thema Einkommenssteuern mit den entsprechenden Unterarten wie z.B. Kapitalertragssteuern etc.
Wie sähe euer "Wunschmodell" bei den Steuern aus, was aber trotzdem nicht für massive Verluste bei den Steuereinnahmen sorgen würde?
Zu den Daten:
Medianeinkommen Deutschland unter sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten 44.074€ (1)
Etwa 6,6 Millionen Menschen erhielten 2022 Sozialhilfe oder Grundsicherung. (Inkl. Aufstocker, Leistungen für Asylbewerber etc.) (2)
Meine Idee in Kürze zusammengefasst wäre folgende:
Renten: Keine Besteuerung bis 50% des Medianeinkommen der sozialversicherungspflichtigen Angestellten
Die Idee: Die laufenden Lebenshaltungskosten für Rentner sind tendenziell geringer als bei Arbeitnehmern. Insbesondere für gesundheitliche Maßnahmen gibt es viele verschiedene Fördermittel, die abgerufen werden können, um die individuelle Belastung zu senken.
Ferner werden Freigrenzen bei Zuzahlungen etc. primär anhand des zu versteuernden Einkommens berechnet.
Gehälter:
Steuerfreibetrag für Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit von knappen 10.000€ hoch auf 50% des Medianeinkommens.
Arbeitnehmer haben meistens mehr Möglichkeiten das Gehalt zu steigern als Rentner und unterliegen somit einem prozentual geringeren Grundfreibetrag. Parallel sind sie bedingt durch Werbungskosten etc. in der Lage die reale Steuerlast mehr zu senken, als Rentner.
Teilzeitarbeitnehmer können damit de facto weiter entlastet und teilweise sogar steuerbefreit werden.
Damit wird insbesondere Alleinerziehenden geholfen und der Anreiz gestärkt, sich nicht auf einen Hauptverdiener in der Familie zu verlassen. (Dies ist zwar ein aussterbendes Modell, aber in meinem nichtrepräsentativen Umkreis durchaus häufig vertreten. Da sagen meisten die Partnerinnen, die sich um die Kinder kümmern, dass es sich nicht lohnt zu arbeiten, da die Abgaben zu hoch sind.)
Ferner wird durch den höheren Grundfreibetrag auch der Anreiz zur Arbeit gegenüber Sozialhilfeempfänger massiv erhöht, da man mehr von seinem Geld behalten kann und somit der Wohlstand im Gegensatz zum "Sozialschmarotzen" (bewusst überspitzt ausgedrückt) massiv gesteigert werden kann.
Insbesondere beim Thema Anreize für die Arbeit im Gegensatz zur Förderung von fehlender Arbeitsmotivation sehe ich für die Gesellschaft extrem hohe Chancen.
Selbst Hilfsarbeiter werden stetig gesucht, aber nicht gefunden, da die Gehälter und Steuern einen teilweise auf das Einkommensniveau eines Sozialhilfeempfängers drücken bzw. heranbringen.
Beim Thema Sozialhilfe gehe ich übrigens von einem vereinfachten Modell der Drittelregelung aus.
1/3 will nicht arbeiten
1/3 findet keine (akzeptable) Arbeit
1/3 kann gar nicht arbeiten (gesundheitliche Gründe)
Kapitalerträge:
Steuerfreiheit nach einer Haltedauer von 20 Jahren (FiFo)
Abschaffung der Kapitalertragssteuern und Versteuerung von Kapitalerträgen unter der Haltedauer mit dem persönlichen Einkommenssteuersatz
Steuerfreibetrag von aktuell 1.000€ hoch auf 5% des Medianeinkommens. (Also etwa 2.200€)
Was ist die Annahme hinter den 5% des Medianeinkommens?
Mit steigendem Medianeinkommen würde parallel auch die Sparquote steigen. Damit sich entsprechende Sparmaßnahmen bei Ausschüttenden Varianten lohnen, sollte der Freibetrag auch entsprechend steigen.
Durch die Kopplung an das Medianeinkommen kann eine Einkommenssteigerung auch eine direkte Entlastung bei Gewinnrealisierung ermöglichen.
2.200€ Freibetrag benötigen aktuell bei einer Dividendenrendite von 5% ($SPYD ), also 1,87€ pro Anteil pro Jahr, ein investiertes Kapital von fast 41.200€.
Also fast genau ein Jahresmedianeinkommen.
Vermietung&Verpachtung:
Unterliegen weiterhin der regulären Einkommenssteuer mit den entsprechenden Freibetragen und Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung.
"Reichensteuersatz":
Auch wenn es hier in der Bubble nicht gut ankommt, bin ich persönlich ein sehr großer Fan der Reichensteuer, also dem deutschen zusätzlichen Spitzensteuersatz..
Aktuell greift die Vermögenssteuer bei einem Bruttoeinkommen von 277.826€ für Singles und beträgt 3% mehr als der höchste Einkommensteuersatz, also 42% + 3% = 45%.
Funfact: Geht man nur von den Einkommensteuern aus, liegt Deutschland mit der Steuer sogar hinter den USA. Auch die skandinavischen Länder greifen bei hohen Einkommen gerne zu. Hier hat man teilweise 56% Einkommenssteuer zu zahlen.
Belgien und Portugal haben auch höhere "Reichensteuern".
Meine Annahme wäre hierbei:
Steigende Steuerbelastung bei Einkommen bis zum 5fachen des Medianeinkommens. (Mit dem 5fachen des Medianeinkommens wären sogar die Spitzengehälter von Chefärzten im Jahr 2021 nicht von der Reichensteuer erfasst. (3))
Darüber hinaus werden 10% Sondersteuer fällig. (Also ab den Betrag, der die 220.000€ Bruttoeinkommen ÜBERSTEIGT.)
Warum wird bei hohen Einkommen nun stärker zugeschlagen:
Einmal müssen die Entlastungen für "untere Einkommensgruppen" finanziert werden. Parallel sehe ich auch die soziale Verantwortung entsprechend Gutverdienender in der Bundesrepublik. Sozialbeiträge werden teilweise sehr schnell gedeckelt. (Im Umkehrschluss ist natürlich auch bei der Rente irgendwann Schluss.)
Gutverdienende haben jedoch trotz höherer Steuern auch weitaus mehr Möglichkeiten ihren Wohlstand zu erhalten und zu mehren.
(Ganz persönlich halte ich gewisse Gehälter auch extrem überzogen und fernab der Realität. Klar kann ein Vorstand von VW gutes Geld verdienen, wenn die Zahlen stimmen. Die Summen, die dort aber teilweise abgerufen werden, sind für mich einfach absurd, da sie für mich wenig in Relation zur Leistung im Unternehmen stehen. Ich weiß: Strategische Planung/Ausrichtung und Führung sind in Unternehmen extrem wichtig, da sie die Grundgerüste, für erfolgreiche Prozesse darstellen und nur mit einer guten Planung auch ein Unternehmen erfolgreich langfristig und stabil operieren kann. Ähnlich ist meine persönliche Einstellung zu Profisportlern oder Schauspielern.)
Wir sehen es hier in der Community selbst:
Die ersten paar Hundert Euro gestalten sich teilweise als schwierig, aber wenn man dann ein paar Tausend Euro investiert hat, dann zieht der Zinseszins extrem an und das Vermögen wächst extrem an.
Durch entsprechende Kapitalflüsse kann dieser Effekt noch zusätzlich gehebelt werden.
Was wären eure Ideen beim Thema Einkommenssteuern?
(1) https://www.stepstone.de/e-recruiting/wp-content/uploads/2022/02/Gehaltreport-2022-1.pdf