Finasterid wird seit den 1990er-Jahren zur Behandlung androgenetischer Alopezie (erblich bedingter Haarausfall) eingesetzt. Der Wirkstoff hemmt das Enzym 5-α-Reduktase, welches Testosteron in Dihydrotestosteron (DHT) umwandelt. Neben seiner Wirksamkeit wurde Finasterid in den letzten Jahren zunehmend mit möglichen psychischen und sexuellen Nebenwirkungen in Verbindung gebracht. Die Diskussion erlangte im Jahr 2025 neue Aufmerksamkeit, nachdem mehrere Medienberichte und Studien auf ein mögliches Risiko für depressive Verstimmungen und Suizidgedanken hinwiesen.
2. Aktuelle Forschungs- und Datenlage
Eine im Oktober 2025 veröffentlichte israelische Studie, die in verschiedenen internationalen Medien zitiert wurde (u. a. New York Post, 2025), kommt zu dem Ergebnis, dass Finasterid möglicherweise mit einem erhöhten Risiko für psychische Störungen, insbesondere depressive Symptome und Suizidalität, assoziiert sein könnte. Die Autoren argumentieren, dass die bisherigen Hinweise auf diese Nebenwirkungen nicht mehr ausschließlich anekdotischer Natur seien.
Parallel dazu veröffentlichte eine dänische Fall-Kontroll-Studie (2025) eine differenzierte Analyse zu Suizidversuchen bei Männern, die Finasterid eingenommen hatten. Diese Untersuchung konnte keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Einnahme von Finasterid und einem erhöhten Risiko für Suizidversuche feststellen. Die Autoren betonen jedoch die begrenzte Aussagekraft aufgrund der Stichprobengröße und methodischer Unsicherheiten.
Darüber hinaus weist die Europäische Arzneimittelagentur (EMA, 2025) darauf hin, dass Suizidgedanken als mögliche, jedoch seltene Nebenwirkung von Finasterid in den Produktinformationen aufgeführt werden sollen. Ein kausaler Zusammenhang konnte bislang nicht eindeutig nachgewiesen werden.
3. Öffentliche und regulatorische Reaktionen
In den Vereinigten Staaten reagierte die Food and Drug Administration (FDA) im Jahr 2025 mit einer Warnung an Anbieter von topischen Finasteridpräparaten, die insbesondere über Telemedizinplattformen vertrieben werden. Die Behörde betonte, dass für einige dieser Produkte keine ausreichenden Sicherheitsprüfungen vorlägen und dass Fälle von Depression, Angstzuständen und Suizidgedanken gemeldet worden seien.
Auch in Europa forderten mehrere Fachgesellschaften eine verstärkte Beobachtung von Patienten, die Finasterid einnehmen, insbesondere bei bestehender psychischer Vorbelastung. Der israelische Forscher Dr. Mayer Brezis kritisierte öffentlich die bisherige Zurückhaltung von Herstellern und Aufsichtsbehörden im Umgang mit diesen Hinweisen.
4. Diskussion
Die derzeitige Studienlage erlaubt keine eindeutige Aussage über einen kausalen Zusammenhang zwischen Finasterid und psychischen Nebenwirkungen. Während Fallberichte und Pharmakovigilanzdaten wiederholt auf depressive Symptome und Suizidgedanken hinweisen, zeigen größere epidemiologische Studien bislang keine konsistenten Ergebnisse.
Methodische Herausforderungen bestehen insbesondere in der retrospektiven Datenerhebung, der Selbstselektion von Betroffenen sowie dem Einfluss psychischer Vorerkrankungen oder hormoneller Schwankungen. Ebenso ist unklar, ob die topische (äußerlich angewendete) Formulierung ein vergleichbares Risikoprofil aufweist wie die orale Einnahme.
5. Fazit
Die aktuelle Diskussion verdeutlicht ein Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Evidenz und öffentlicher Wahrnehmung. Während keine gesicherten Beweise für einen direkten ursächlichen Zusammenhang zwischen Finasterid und Suizidalität vorliegen, sprechen die wiederholten Hinweise aus Fallstudien und Pharmakovigilanzdaten für erhöhte Aufmerksamkeit im klinischen Umgang.
Eine prospektive, methodisch robuste Erforschung psychischer Nebenwirkungen von Finasterid erscheint daher notwendig, um die Risikoabschätzung zu präzisieren und evidenzbasierte Handlungsempfehlungen zu ermöglichen.