Siemens Energy hat bereits Anfragen aus den Vereinigten Staaten, Kanada und Australien erhalten. TenneT Deutschland schätzt, dass allein in Deutschland etwa 30 ähnliche Anlagen benötigt werden.
Siemens Energy und Tennet wollen mit dem weltweit ersten Statcom auf Superkondensatorbasis Momentanreserve und Blindleistung bereitstellen.
Di., 23. Dezember 2025, 19:56 Uhr
Wenn Kohle und Kernenergie nach und nach verschwinden, könnte die Netzstabilität gefährdet sein. In Mehrum haben Siemens Energy und TenneT Deutschland als Antwort darauf nun den weltweit ersten E-STATCOM gebaut - ein statischer Blindleistungskompensator mit Superkondensatoren, auch bekannt als SVC PLUS FS, der sowohl Spannungs- als auch Frequenzstabilisierung ermöglicht.
"Niemand hat zuvor ein superkondensatorbetriebenes STATCOM gebaut", sagt Hauke Jürgensen, Senior Vice President Grid Solutions bei Siemens Energy. "Das ist wirklich ein Maßstab in der globalen Energiewende."
Technische Netzstabilität mit künstlicher Trägheit
Superkondensatoren liefern innerhalb von Millisekunden kurze Stromstöße und erzeugen so eine "künstliche Trägheit". "Das Netz ist wie das menschliche Kreislaufsystem: Spannung ist der Blutdruck, Strom ist das Blut und Frequenz ist der Herzschlag", sagt Hans-Günther Platz, Projektleiter bei Siemens Energy. Durch das Hinzufügen von Superkondensatoren kann E-STATCOM sowohl Spannung als auch Frequenz stabilisieren – zwei Parameter statt einem."
Platz weist außerdem darauf hin, dass diese Stabilität nicht temporär, sondern konstant ist. "Weil es vollautomatisiert ist, läuft es rund um die Uhr", sagt er. "Diese Anlage kümmert sich um das Netz, während wir schlafen."
"Mit diesem E-STATCOM können wir zentrale Herausforderungen im Netz abmildern – und letztlich helfen, Stromausfälle zu verhindern", sagt Florian Martin, Director of Asset Management bei TenneT Deutschland. "Er liefert wichtige Zusatzleistungen wie Frequenzstabilisierung und Spannungsunterstützung und senkt die Kosten dank geringerer Wartung. Wir befinden uns mitten in der Energiewende und Zeit ist entscheidend – deshalb ist der schnelle Bau dieser Systeme unerlässlich."
Im Inneren des weltweit ersten E-STATCOM
Der Bau der E-STATCOM-Anlage in Mehrum dauerte drei Jahre. Heute steht die neue Anlage durch NATO-konforme Sicherheitsmaßnahmen wie Stacheldraht und Eindringschutzsysteme geschützt. Wer die klimatisierten Hallen in Mehrum betritt, erkennt sofort das Ausmaß der Lösung.
In einem Raum sind einzelne Superkondensatorzellen – jeweils so groß wie eine Limonadendose – in Türmen gestapelt und bilden so ein Reservoir mit sofortiger elektrischer Energie, die als künstliche Trägheit ins Netz eingespeist werden kann. Im Gegensatz zu Batterien, die auf chemische Prozesse angewiesen sind, speichern Superkondensatoren Strom direkt und können in Millisekunden Stromstöße liefern.
Nebenan steuern aus Submodulen bestehende Stromrichter diese Impulse und schalten riesige Ströme in Mikrosekunden um. Ihre Systeme werden durch deionisiertes Wasser und rosa Frostschutzschaltungen gekühlt. Im Kontrollraum zeigen Monitorreihen die Vitalwerte der Anlage an: Temperaturanzeigen, Systemstatus und ein virtuelles Reservoir, das sich füllt und entleert, während das System auf Netzereignisse reagiert. Und dank fortschrittlicher Steuerungssysteme und Überwachung arbeitet die gesamte Anlage automatisch, wird vollständig ferngesteuert und überwacht.
Testphase beginnt
Mit Abschluss der Bauarbeiten befindet sich das Projekt nun in der Endphase. Die Anlage wird monatelang getestet werden, bevor sie in den kommerziellen Betrieb geht, was allmählich beweist, dass künstliche Trägheit die mechanische Stabilität ersetzen kann, die fossile Energieträger einst boten.
