GFT und NEURA Robotics schließen strategische Partnerschaft zur Entwicklung zukunftsweisender Software für physische KI.
Noch sind Roboter vor allem in der Industrie anzutreffen. Künftig sollen sie uns im Haushalt helfen: aufräumen, Müll rausbringen, Frühstück machen. Science-Fiction? David Reger, CEO von Neura Robotics, hält das schon in wenigen Jahren für möglich.
Von Ingmar Höhmann
Zum 20-jährigen Jubiläum von t3n (hier geht es zu unserem Jubiläums-Hub) haben wir Expert:innen gefragt, welche Trends und Technologien die Zukunft prägen werden. Einer von ihnen ist David Reger, Gründer und CEO von Neura Robotics. Das Unternehmen aus Metzingen entwickelt KI-gesteuerte Roboter für Industrie und Haushalt. Was die Geräte bisher können – und was nicht -, erklärt dieser Bericht von der Branchenmesse lAutomatica.
t3n: Wie werden Roboter in den nächsten 20 Jahren verändern, wie wir arbeiten und leben?
David Reger: Grundlegend. Roboter werden uns ein selbstbestimmteres Leben ermöglichen, indem sie alltägliche Aufgaben übernehmen, etwa Müll rausbringen, aufräumen oder die Spülmaschine einräumen. Sogar das Frühstück können sie zubereiten – wenn wir das möchten.
Werden diese Roboter wie Menschen aussehen?
Zumindest anfangs nicht. Es werden eher funktionale Geräte sein – zum Beispiel ein „Smartphone auf Rollen“ mit Armen, Sensoren und KI. Unser Serviceroboter MiPA sieht so aus. Er kann den Herzschlag erkennen, ohne Menschen zu berühren, und im Notfall reagieren. Ich muss dann nicht mehr eineinhalb Stunden fahren, um meine Mutter zu sehen. Stattdessen kann ich aus der Ferne über das Display am Roboter mit ihr Schach spielen oder einfach nur kurz schauen, ob alles in Ordnung ist.
Den größten Nutzen von Haushaltsrobotern werden wir demnächst in der Pflege sehen. Es gibt immer mehr Menschen, die Hilfe brauchen, gleichzeitig fehlen Pflegekräfte. Roboter können hier schon jetzt bei vielen Aufgaben unterstützen. So bleibt den Pflegenden mehr Zeit für den persönlichen Kontakt.
Wann werden solche Haushaltsroboter zum Alltag gehören?
Schon sehr bald. In zwei bis drei Jahren wird sich jeder einen Haushaltsroboter anschaffen können. Technologisch stehen wir kurz davor: Roboter können Räume inzwischen gut analysieren, merken sich deren Ursprungszustand und erkennen Veränderungen – eine wichtige Voraussetzung etwa fürs Aufräumen.
Das ist keine ferne Zukunft: Eine Rakete, die ins All fliegt und auf einer schwimmenden Plattform landet, ist technisch komplexer als ein Roboter, der ein Zimmer aufräumt. Die größere Herausforderung ist die natürliche Interaktion mit dem Menschen.
Was ist das Problem?
Aus Sicherheitsgründen verlangsamen Roboter ihre Bewegungen, sobald Menschen in der Nähe sind. Doch wenn einfache Handgriffe zu lange dauern, leidet die Akzeptanz. Niemand hat die Geduld zuzusehen, wie ein Roboter minutenlang versucht, eine Tasse Kaffee einzuschenken. Das ist zu langsam und wirkt unnatürlich.
Ein Mensch kann dabei auch mal versehentlich berühren, ohne dass es als Risiko empfunden wird – beim Roboter fehlt dieses Vertrauen. Deshalb entwickeln wir eine sensorische Haut, die erkennt, wo sich Menschen befinden, noch bevor es zur Berührung kommt. Falls doch, stoppt oder bremst der Roboter rechtzeitig, um jede Gefahr zu vermeiden.
Wenn Roboter auf zwei Beinen stehen, ist die Sturzgefahr höher. Fällt ein humanoider Roboter auf einen Menschen, kann er ihn schwer verletzen.
In der Industrie lässt sich das gut beherrschen, weil wir die Umgebung gezielt gestalten können. Humanoide Roboter bewegen sich mit reduzierter Geschwindigkeit, arbeiten mit sicherer Elektronik und schalten im Notfall einfach ab. Kommt es doch einmal zu einem Sturz, fällt der Roboter kontrolliert vom Menschen weg.
Im Haushalt ist das schwieriger. Die Umgebung verändert sich ständig, Menschen oder Haustiere bewegen sich oft unvorhersehbar. Deshalb sehen wir humanoide Roboter zuerst in der Industrie, wo sich die Sicherheitsanforderungen einfacher umsetzen lassen
Wo werden wir technologisch den größten Fortschritt sehen?
Der größte Durchbruch wird kein technisches Detail sein, sondern der Zugang zu Daten aus der physischen Welt. Bei Sprachmodellen wie ChatGPT war die Grundlage eine riesige Menge an Textdaten. Das hat die Entwicklung beschleunigt. In der Robotik gibt es keine vergleichbaren Datensätze aus der realen Welt: über Bewegung, Materialverhalten oder menschliche Reaktionen. Da liegt der Engpass.
Anstatt dass jeder Roboterhersteller eigene Trainingsdaten sammelt, braucht es eine gemeinsame Basis. Wir haben dafür unsere Neuraverse-Plattform entwickelt, die wie ein App Store funktioniert: Entwickler steuern Anwendungen bei, etwa für Pflege, Haushalt oder industrielle Aufgaben. Diese lassen sich unabhängig vom Hersteller einsetzen, sodass verschiedene Roboter auf dasselbe Wissen zugreifen können. Auf diese Weise entsteht physische Intelligenz, bei der Roboter laufend besser werden.