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Basiswissen: PEG verstehen – und erkennen, wann „teuer“ eigentlich fair ist

Lesedauer: ca. 8 Minuten

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Ein Kommentar von @Tenbagger2024 hat mich auf die Idee gebracht, diesen Beitrag zu schreiben – über eine Kennzahl, die im Alltag vieler Anleger kaum Beachtung findet, aber essenziell ist, wenn man Wachstum und Bewertung wirklich verstehen will: die PEG-Ratio.


Im letzten Beitrag zur Rule of 40 ging es darum, wie man operative Qualität misst – also, ob ein Unternehmen nicht nur wächst, sondern auch profitabel bleibt. Heute geht es um den zweiten Teil der Gleichung: den Preis des Wachstums. Denn Qualität ist nur dann interessant, wenn sie zu einem vernünftigen Preis zu haben ist. Genau das will die PEG-Ratio abbilden.


Die Formel ist simpel:

PEG = KGV / Gewinnwachstum (% pro Jahr)


Eine PEG von 1 gilt als fair bewertet. Werte unter 1 können auf Unterbewertung hinweisen, Werte über 1 auf ambitionierte oder bereits eingepreiste Erwartungen. Doch die Zahl allein sagt wenig – entscheidend ist, wie stabil und realistisch das Wachstum tatsächlich ist.


Das klassische KGV betrachtet nur den Moment. Es sagt, was der Markt heute für einen Euro Gewinn zahlt, nicht aber, was er morgen erwartet. Die PEG-Ratio ergänzt diese Momentaufnahme um die Zeitdimension. Sie verbindet Preis und Dynamik – und macht sichtbar, ob ein Unternehmen für seine Zukunft zu teuer oder überraschend günstig bepreist ist.


Ein Beispiel: Ein Softwarekonzern mit einem KGV von 40 wirkt auf den ersten Blick teuer. Wächst der Gewinn aber um 40 % jährlich, liegt die PEG bei 1 – und die Bewertung ist plötzlich logisch. Umgekehrt kann ein Telekomkonzern mit KGV 7 überbewertet sein, wenn der Gewinn kaum noch wächst. PEG hilft, diese Täuschungen zu vermeiden, indem sie Wachstum in Relation zum Preis setzt.


Beispiele aus der Praxis (Stand: 1. November 2025):


$MSFT (+0,86 %) (Microsoft)

KGV rund 37, erwartetes Gewinnwachstum etwa 15 % → PEG ≈ 2,5.

Microsoft bleibt ein Musterbeispiel für Stabilität und Preissetzungsmacht. Eine PEG über 2 signalisiert: Der Markt bezahlt hier für Verlässlichkeit. Hohe Margen, enorme Cashflows, aber auch eine Premiumbewertung.


$GOOG (+1,2 %) (Alphabet)

KGV rund 28, Wachstum ca. 15 % → PEG ≈ 1,9.

Formal überbewertet, aber kontextuell fair. Alphabet wächst beständig, verdient überdurchschnittlich und investiert aggressiv in KI. Eine PEG nahe 2 zeigt: Qualität ist nicht billig – aber berechenbar.


$NVDA (+3,27 %) (NVIDIA Corporation)

KGV rund 35, erwartetes Gewinnwachstum etwa 33 % → PEG ≈ 1,05.

Der vermeintlich teure KI-Champion zeigt, dass hohe Multiples nicht zwingend Übertreibung bedeuten. Das Gewinnwachstum gleicht die Bewertung fast vollständig aus. NVIDIA steht sinnbildlich für „teuer, aber verdient“. Die Risiken liegen weniger in der PEG, sondern in der Zyklizität der Nachfrage.


$PLTR (+1,36 %) (Palantir Technologies)

Forward-KGV rund 200, Wachstum ca. 35 % → PEG ≈ 6.

Ein Extremfall. Starkes Wachstum, aber eine Bewertung, die längst mehr Zukunft als Gegenwart enthält. Die PEG zeigt, wie schnell sich eine Wachstumsstory in Überbewertung verwandeln kann.


$T (-1,75 %) (AT&T)

KGV 7, Wachstum 1–2 % → PEG zwischen 3,5 und 7.

Der klassische Trugschluss. AT&T wirkt günstig, weil das KGV niedrig ist, bleibt aber ein Beispiel für fehlende Dynamik. Eine hohe PEG trotz niedriger Bewertung zeigt: Preis allein ist keine Chance, wenn das Wachstum fehlt.


$IREN (+8,66 %) (Iris Energy)

Forward-KGV ca. 18, erwartetes Gewinnwachstum über 60 % → PEG ≈ 0,3.

Ein Gegenpol. Auf dem Papier günstig, da die Bewertung im Verhältnis zum erwarteten Wachstum niedrig ist. Doch Vorsicht: Das gilt nur, wenn das Wachstum realisiert wird. Fällt der Bitcoinpreis oder sinkt die Mining-Profibilität, kippt das Verhältnis sofort. Eine niedrige PEG ist kein Freifahrtschein, sondern eine Wette auf Umsetzung.


Diese Beispiele zeigen: PEG ist kein mathematisches Urteil, sondern ein Werkzeug zur Einordnung. Sie erklärt nicht, was eine Aktie kostet, sondern warum. Microsoft und Alphabet sind teuer, aber nachvollziehbar bewertet. Palantir ist Wachstum auf Kredit. AT&T ist „Value“ ohne Bewegung. NVIDIA ist der Beweis, dass hohes Wachstum eine hohe Bewertung rechtfertigen kann. Iris Energy wiederum steht für spekulatives Momentum – viel Potenzial, aber wenig Planbarkeit.


PEG trennt damit nicht billig von teuer, sondern verdient von unverdient.


Oft heißt es, PEG sei nur innerhalb einzelner Branchen sinnvoll. Das stimmt nur bedingt. Ursprünglich wurde sie von Peter Lynch entwickelt, um Wachstum branchenübergreifend vergleichbar zu machen – also Tech gegen Industrie, Pharma gegen Konsumgüter.

Die PEG erlaubt genau diesen Vergleich, weil sie Bewertung und Wachstum in eine Relation setzt. Trotzdem bleibt Interpretation nötig:

20 % Wachstum in Software ist fundamental anders als 20 % in Konsumgütern. Kapitalintensität, Margen und Skalierbarkeit beeinflussen, wie nachhaltig Wachstum wirklich ist. Gleiche PEGs sind also rechnerisch vergleichbar, ökonomisch aber nicht gleichwertig.


Richtig eingesetzt, ergänzt die PEG-Ratio die Rule of 40 perfekt. Während die Rule of 40 zeigt, wie gut ein Unternehmen arbeitet, zeigt die PEG, was der Markt dafür verlangt. Zusammen ergeben sie ein vollständiges Bild – Qualität trifft Bewertung.


PEG ist kein Instrument für schnelle Urteile, sondern ein Mittel zur Disziplin. Sie hilft, euphorische Phasen zu erden und Bewertungsblasen früh zu erkennen. Sie ist damit weniger Kennzahl als Kompass – ein Wegweiser zwischen Preis, Wachstum und Realität.


Was meint ihr?

– Welche eurer Wachstumsaktien bleiben auch bei PEG > 1 vertretbar – und warum?

– Gibt es Werte, die günstig aussehen, aber seit Jahren stagnieren?

– Wie stark achtet ihr bei euren Investments auf das Verhältnis von Preis zu Wachstum – mehr als auf das reine KGV?

– Und wo zieht ihr persönlich die Grenze zwischen „bezahlen für Qualität“ und „bezahlen für Hoffnung“?

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19 Kommentare

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einfach MEGA, sehr toll geschrieben mit guten Beispielen. Der PEG bei NVIDIA ist für mich ein Zeichen, die Kritiker, welche schon seit Monaten schreien. " NVIDIA ist zu teuer " , einfach zu ignorieren. Ich denke Unternehmen mit hohen PEG können im Bullenmarkt trotzdem weiterhin gut Performen. Sind aber dann die Unternehmen welche bei einer Korrektur oder im Bärenmarkt auch ein sehr hohes Risiko haben.
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PEG skaliert den heutigen Gewinn mit erwarteten Gewinnen, aber in der Wachstumsphase hängen diese erwarteten Gewinne ja davon ab, wie viel weiterhin reinvestiert wird. Und genau das ist der Teil, der sich ständig änder und deshalb auch der Grund warum die PEG-Prognose in der Wachstumsphase unscharf bleibt.

Umsatz, Margen zeigen da schneller und klarer, ob die Skalierung tatsächlich greift, als die Gewinnschätzung im PEG.
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@Yoshika
In der Wachstumsphase ist Gewinn kein Zustand, sondern eine Entscheidung.
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@Yoshika ein sehr guter Punkt – genau deshalb macht die Kombination aus PEG und Rule of 40 Sinn. Die PEG zeigt die Bewertung, die Rule of 40 ergänzt, ob Wachstum und Profitabilität auch tatsächlich tragen
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@Yoshika
Ich denke, der Kurs selbst zeigt, wie sehr der Markt dem Wachstum vertraut. Und Vertrauen ist wahrscheinlich das eigentliche Bewertungspremium.
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Danke für den Beitrag.
Ja ich beachte die PEG Ratio immer bei Bewertungen.

Bei Wachstum reden wir hier von Umsatz oder operativem gewinn?
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erst einmal wieder eine dickes Danke für die einfache Erklärungen. Ich entscheide ja generell relativ wenig nach fundamentalen Kennzahlen. Aber diese Kennzahl ist für mich schon interessant, da ich damit auch Small und Midcaps besser einordnen kann. Bei meinen grossen Werten im Depot bin ich einfach überzeugt von den langfristigen Aussichten, daher sind mir die Fundamentalkennzahlen egal. Ich halte $NVDA , $AMZN und $GOOGL jetzt nicht für teuer. Ich nutze diese Kennzahlen daher eher für meine kurzfristigen, spekulativen Derivatetrades, da sie dort meiner Ansicht nach entscheidender sind, wann ich einen Trade in welche Richtung mache, als bei den Aktien, wo es jetzt nicht unbedingt auf den Zeitpunkt ankommt, wenn ich sie länger halten will.
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PEG wird in jeder Analyse beachtet bei profitablen Unternehmen!
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Thanks a lot for this article, really insightful!
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$AMD 1,19 vor den Zahlen. Klingt doch gut.
Danke für den Denkanstoß und diese wichtige Kennzahl
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Vielen Dank für diesen informativen Artikel 👍
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Vielen Dank für diesen informativen Beitrag!
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@Sauerland_Investor auffallend günstig. Jetzt ist die Frage: hat der Markt $NOVO B zu stark abgestraft oder ist Prognose zu optimistisch?
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@Liebesspieler das ist die Frage, ich denke sie wurde zu stark abgestraft. Übermorgen nach den Zahlen werden wir vorerst mehr wissen.
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Danke! Nimmt man aber den Gewinnwachstum über das letzte Jahr, oder das durchschnittliche Wachstum über mehrere Jahre? Bin noch Amateur bei Fundamentalem 😬
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@Simon_n Gute Frage – für die PEG nutzt man das erwartete Gewinnwachstum des aktuellen bzw. nächsten Jahres. Der mehrjährige Durchschnitt kann helfen, Ausreißer einzuordnen, ist aber eher eine ergänzende Betrachtung – die eigentliche PEG basiert immer auf der Gewinnprognose.
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