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+++ Edelmetallhandel - Preisfehler und die Lehre aus Fehlern +++


Vorgestern habe ich meinen ersten Arbeitstag nach gut drei Monaten gehabt. Während der Tag ohne besondere Vorkommnisse vorüber ging, schlug am Ende der Fehlerteufel zu, welcher es in sich hatte.


Bei der Tagesendgültigen Festsetzung des Preises und der Aufschläge für die Nachtpreise im Onlineshop für Edelmetalle schlich sich mir ein Berechnungsfehler ein und auch die dazu erscheinende Warnmeldung konnte ich umgehen, bzw. ignorierte sich schlichtweg.


Statt 56,70€ pro Gramm Gold wurden plötzlich 55,70€ pro Gramm Gold angeboten.


Die Folge: Der Onlineshop glühte bis gestern Morgen vor Bestellungen. Kunden bestellten im Wahrsten Sinne des Wortes alles „was glänzt“. 100g Gold waren schließlich mit 100€ unter dem Goldspot zu haben, andere Münzen mit ähnlichen Abschlägen und falschen Preisen versehen.


Während im Tagesgeschehen solche Fehler durch 3-fache Absicherungen und Kontrollen nicht passieren können, wurde durch meine allumfassende Überschreibung und Aushebeln der Preisdynamik jegliche Kontrolle nicht mehr möglich.


Was sind die Folgen von Fehlern bei Geschäften im Bereich Edelmetalle?

(Achtung: Keine vollständige Rechtsberatung!)


Zunächst gilt einmal das Bürgerliche Gesetzbuch, wonach gemäß Paragraph §433 BGB, beide Seiten (sprich Anbieter und Käufer*in) dann als handelseinig gelten, sobald Einigkeit in der Sache (hier also dem Preis und zb. die Beschaffenheit des Verkaufsgegenstandes) besteht.


In der Regel wird dies auch nochmals durch die AGB der Onlineshops geregelt, wonach die angezeigten Preise im Shop unverbindliche Angebote darstellen und KEINE AUTOMATISCHE Annahme des Angebots durch einen Klick des Kaufen-Buttons zur Folge haben, soweit es eben nicht anders in den AGBs der Händler beschrieben ist.


Allein durch die richtige Formulierung der AGB und der korrekten Formulierung der Bestell- bzw. Eingangsbestätigung ist der Vertrag über den Verkauf dann eben nur ein weiteres Angebot, nämlich vom Kunden ausgehend.


Erst nachdem der Onlineshop eine Auftragsbestätigung versendet, gilt der Auftrag und damit Vertrag als angenommen und verpflichtet BEIDE Seiten zur Erfüllung. Für den Kunden bedeutet das „zahlen“, für den Shop „ausliefern“.


Im Tafelgeschäft (also Kauf am Schalter, vor Ort) für Edelmetalle kann es natürlich auch Fehler geben. So kann der Verkäufer zum Beispiel Ankauf- und Verkaufspreis verwechseln. Zugegeben: Ein äußerst dummer Fehler. Zum Glück nicht alltäglich und höchst selten. Aber auch hier gilt: Kommunikation.


Im besten Fall fällt es dem Verkäufer, der Verkäuferin sofort und vor der Übergabe des Geldes und der Ware auf. An dieser Stelle das Geschäft zu stornieren oder zu korrigieren ist kein Problem.


Wenn der Kunde jedoch das Geschäft bereits verlassen hat, dann ist man als Händler oftmals machtlos. Das Geschäft ist abgeschlossen.

Ausnahmen bilden bekanntlich Kontaktmöglichkeiten, wenn der Kunde bekannt ist oder Kundendaten vorhanden sind. Hier kommt es auf gegenseitige Zusammenarbeit bei Kommunikation, Feingefühl und Verständnis für einander an. Ich empfehle an dieser Stelle auch als Kunde Verständnis für die Gegenseite zu zeigen, ihr wollt sicher nicht Vertrauen missbrauchen. In solchen Fällen sind Händler oft bereit bis an Ihre Schmerzgrenze, also zum Spotpreis zu verkaufen. Dann hat der Händler zwar nichts gewonnen, aber eben auch nichts verloren. Und eurem Karmakonto werden ein paar Punkte gut geschrieben.


Ganz anders ist das bei Kauf von Aktien:


Hier gibt es kein Irrtum und Preisfehler im eigentlichen Sinne. Möglich sind jedoch technische Probleme wie Anzeigefehler, Abrechnungsfehler oder Übertragungsprobleme. Hier kommt es dann auf den Ursprung des Fehlers an: Handelt es sich um einen Broker-Fehler, kann der Vorgang einseitig, sprich vom Broker meistens storniert oder korrigiert abgerechnet werden. Hier haben in der Regel alle Broker entsprechende Klauseln in ihren AGB geregelt. Bei Marktvolatilität-Problemen, wie auf Grund Datenproblemen, ist es durchaus gängig, das die Transaktion dennoch Gültigkeit besitzt.


Sollte es zu Unstimmigkeiten kommen, so ist in jedem Fall die Finanzaufsichtsbehörde zu kontaktieren. Hier wird dann alles weitere geregelt.


Was passiert nun bei einem Preisfehler?


Nun heisst es für den Händler (und gestern war das meine Position) ruhig zu bleiben, aber eben auch genau und präzise den Fehler und deren Folgen zu behandeln.


Also korrigierte ich schnell den Kurs auf den nun aktuellen Preis systemisch und fing an für über 50 Bestellungen die Preise und Summen zu berichtigen.

Zusätzlich wurde allen Kunden der Hinweis über die fehlerhaften Preise und deren Bedeutung (nämlich der Verkauf unter Marktkurs) transparent in einer neu aufgesetzten Angebotsmail mitgeteilt.


Damit gibt der Händler (ich) ein neues, Gegenangebot ab, welches die Kunden mit „Zahlung“ auf die angegebene Kontonummer akzeptieren oder per Antwort „stornieren“ können.


Wie reagieren Kunden (Menschen) auf (Preis-)Fehler?


Ganz unterschiedliche Reaktionen kann man im allgemeinen bei Menschen auf Fehler anderer beobachten. Wie im alltäglichen Leben auch gibt es sympathische, verständnisvolle und gutmütige Menschen aber eben auch Arschlöcher, Idioten, Betrüger, Missmutige und Chronisch unterbügelte Spezien im Kundenbereich. Natürlich würde ich so etwas nie sagen. Ein Fehler ist immer ärgerlich, also nicht nur für mich als Händler sondern eben auch für die Käufer. Wer würde sich nicht über ein Schnäppchen oder einen Fehler freuen, wenn man selbst davon profitiert?


Ich kann in meinem Fall von Glück sprechen, keinen solcher Mitmenschen als Kunden zu haben. Zumindest am gestrigen Tage nicht…

Verständnis, etwas Missmut und natürlich Enttäuschung hielten sich die Waage. Es gab ein paar Kunden die werden zahlen, viele haben storniert.


Meiner Meinung nach war ein wichtiger Bestandteil die unbedingte offene und transparente Kommunikation. Das Edelmetallgeschäft ist überwiegend ein Vertrauensgeschäft. Kunden vertrauen auf die Ordnungsgemäße Ablieferung ihrer wertvollen Ware, den konformen und korrekten Feingehalt und Gewicht der bestellten Ware, auf den Sachgemäßen Umgang mit ihren Daten und letztendlich natürlich dem korrekten Preis…


Vom Fehler anderer unbedingt Profitieren zu wollen jedoch eine Unart und vor allem unter Branchenkollegen eine Riesensauerei. Und so kam es, wie es kommen musste…


Unter den Käufern befand sich ein alteingesessener Branchenkollege. Und der war die rühmliche Ausnahme bei der problemfreien Abwicklung. Nach Enttäuschung und seiner Bitte um Storno (…weil so die Ware ja zu teuer im Ankauf für ihn ist und er sie nicht weiter verwenden könnte…sprich verkaufen) kam am Nachmittag die Retourkutsche. Er will nicht vom Verkaufsvertrag zurücktreten, da „ein Handel bei geschäftlichen, also professionellen Händlern, sofort gültig wäre…“. Grundsätzlich hat der Händler mit dieser Aussage (etwas einfach gehalten, aber was solls…) Recht. In der Tat wäre der Handel zu vollziehen, wenn ich (als Händler) mit dem Angebot persönlich an Ihn gerichtet herangetreten wäre.


Dies kann durch einen Brief, per Mail oder eben durch eine Nachricht in seinem Kundenkonto erfolgen.


Hier gilt: Ich mache ein verbindliches Angebot, der Kunde sagt durch Kauf oder schriftliche Zusage „ja ich will“ und der Vertrag ist zustande gekommen. Hier einen Preisfehler zu kommunizieren, muss sehr gut überlegt und rechtlich Wasserdicht sein. Ein einfaches, vertippt oder verrechnet Argument ist selten möglich.


Im Onlinehandel, handelt es sich aber um ein allgemeines Angebot, welches durch die AGB abgesichert erst dann zur Gültigkeit gelangt wenn, wie oben bereits geschrieben, die Auftragsbestätigung seitens des Händlers erfolgt.


Und: Nicht zuletzt regelt zumindest meine betroffene AGB, das sich der Handel und das Angebot ausschließlich an Privatpersonen richtet, womit wir ebenfalls beim BGB wären.


Merke: Als Branchenkollegen sollte man sich nicht gegenseitig versuchen in die Pfanne zu hauen. Aber auch hier gilt: Die Vielfalt menschlicher Charaktere ist unermesslich. Und bisweilen nicht zu ertragen.


Wenn ihr selbst Fehler macht: Gebt Fehler zu. Lernt mit Ihnen umzugehen, sie zuzugeben und lernt wie ihr diese kommuniziert. Fehler zu machen, liegt in der menschlichen Natur. Um so schneller wir lernen dies zu akzeptieren, desto besser und einfacher lässt es sich leben.


“Wo gehobelt wird, fallen Spänne.“


Irren ist Menschlich. Gleiches gilt im übrigen und nicht zuletzt beim Investieren.


Wie reagiert ihr auf Fehler? Und vor allem - habt ihr schon einmal „heimlich“ von einem Preisfehler beim Investieren profitiert?



Edith sagt:
@AlterMann hatte mich auf den Fehler hingewiesen, dass ich automatisiert AGBs schrieb. Natürlich ohne "s", daher korrigiert. Danke.


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12 Kommentare

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Oh ja, Kundenkommunikation bei technischen Fehlern oder menschlichem Versagen, da kann ich auch ein Lied von Singen. 😉

Vor ein paar Jahren gab es so einen Preisfehler mal bei Media Markt oder Saturn. Eine der neuesten Grafikkarten mit einer falschen Kommasetzung.
Am Ende wurde der Shop so mit negativen Bewertungen bombardiert, dass es Betrug wäre, dass war schon nicht mehr feierlich.

Klar, gibt immer sone und solche, aber dann auch noch die Anderen 😉
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Verantwortung zu übernehmen ist schwierig, aber es zeugt von Charakter und gerade junge Menschen profitieren enorm davon diese auf sich zu nehmen, dazu fallen mir insbesondere zwei dinge ein:

1. Sich nicht vor Aufgaben drücken auf die man keine Lust hat.
(keiner möchte? dann mach ich es!)

2. Fehler akzeptieren, draus lernen und möglichst nicht wiederholen.

Daher finde ich deinen Post, Stefan (@InvestmentPapa), wirklich wirklich gut. Ein wichtiges Thema, bei dem du aufzeigst, dass egal wer man ist, einem Fehler nunmal widerfahren können. (@ccf)

Dein passender Name in dieser Community trägt ebenfalls dazu bei. Denn die jungen Menschen unter uns lernen leider oftmals als aller erstes von den eigenen Eltern, dass es entweder keine Fehler gibt oder diese katastrophal & beschämend sind.

Keine Angst vor Fehlern, man sollte Angst davor haben nichts zu lernen.

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Ich denke da gerne an meine Bundeswehrzeit zurück. Dort hieß es: melden macht frei!
Einen Fehler zu begehen ist menschlich. Es einzugestehen für viele eine Hürde.
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