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Ölmarkt Report: Analyse der aktuellen Entwicklungen, politischen Einflüsse und Marktprognosen

Der Ölmarkt steht vor einer der komplexesten Herausforderungen seit der Pandemie, durch eine ine Kombination aus geopolitischen Spannungen, langfristigen Produktionsstrategien und einer volatilen Nachfrage, insbesondere aus China und Europa. Die Entscheidungen der OPEC+ und die Unsicherheiten in den USA prägen derzeit die Marktbedingungen und setzen sowohl Produzenten als auch Verbraucher unter Druck.


OPEC+: Strategie der Produktionsverzögerungen

Die OPEC+, ein Zusammenschluss von 23 Öl Ländern, hat ihre freiwilligen Produktionskürzungen seit 2022 kontinuierlich verlängert. Diese Maßnahmen zielten darauf ab, die Ölpreise post Pandemie Einbrüchen zu stabilisieren. Im Juni 2024 war ursprünglich geplant, die Produktion um 2,2 Millionen Barrel pro Tag schrittweise zu erhöhen. In den aktuellsten Entscheidungen, wurde folgendes entschieden:


  • Die Produktionssteigerung wurde erneut verschoben und soll nun frühestens im April 2025 beginnen.
  • Die OPEC+ hat ursprünglich geplant, ihre aktuellen Produktionskürzungen bis September 2025 vollständig aufzuheben. Nun wurde diese Frist um ein Jahr verlängert, sodass die Rücknahme der Kürzungen erst im September 2026 abgeschlossen sein soll.
  • Dies ist die dritte Verzögerung innerhalb von 6 Monaten.


Gründe für die Verzögerung

Nachfrageschwäche:

  • China verzeichnet ein langsameres Wirtschaftswachstum, was die Ölnachfrage dämpft. Im dritten Quartal 2024 wuchs die chinesische Wirtschaft um 4,6%, das schwächste Wachstum seit eineinhalb Jahren. Für 2024 wird ein Wirtschaftswachstum von etwa 4,8% erwartet, mit einer weiteren Verlangsamung auf 4,5% im Jahr 20251. Die Weltbank prognostiziert für 2024 ein reales BIP Wachstum von 4,5% und für 2025 von 4,3%. Gründe für das verlangsamte Wachstum sind vor allem schwache Binnennachfrage und Konsumzurückhaltung der Bevölkerung, die Immobilienkrise & Unsicherheit am Arbeitsmarkt.


  • Die europäische Nachfrage bleibt aufgrund der Energiewende und wirtschaftlicher Unsicherheiten und auch Geopolitik ebenfalls zurückhaltend.


Alternativangebote:

  • Länder wie die USA, Brasilien und Kanada, die nicht Teil der OPEC+ sind, nutzen die Gelegenheit, ihre eigene Ölproduktion zu erhöhen, um von den höheren Preisen zu profitieren, die durch die Förderkürzungen der OPEC+ entstehen.
  •  Diese Länder können den Markt mit zusätzlichem Öl versorgen, wodurch sie Marktanteile gewinnen könnten.


Risiko eines Angebotsüberschusses:

  • Wenn diese Länder ihre Fördermengen weiter steigern, während die globale Nachfrage nach Öl möglicherweise stagniert oder langsamer wächst, könnte es zu einem Überangebot kommen.

·      Ein solches Überangebot würde den Ölpreis wieder senken, was die strategischen Kürzungen der OPEC+ untergraben würde.


Interne Spannungen in der OPEC+:

  • Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate drängen auf höhere Fördermengen, während Saudi-Arabien weiterhin eine restriktive Politik verfolgt, um Preisstabilität zu gewährleisten.
  • Die VAE haben von Januar bis Oktober 2024 etwa 700.000 Barrel mehr produziert als mit der OPEC+ vereinbart. Die vereinbarte Fördermenge für die VAE lag bei 2,91 Millionen Barrel pro Tag, was jedoch durch eine Ausnahmegenehmigung zu entschuldigen ist, um ihre Fördermenge 2024 um 200.000 Barrel täglich auf 3,2 Millionen Barrel pro Tag zu erhöhen.


  • Saudi-Arabien hat seine freiwilligen Produktionskürzungen bis Ende Juni 2024 verlängert. Sie reduzierten die Produktion um 1 Million Barrel pro Tag zusätzlich zu einer früheren Kürzung von 500.000 Barrel pro Tag. Die saudische Produktion wird bis Ende Juni 2024 bei etwa 9 Millionen Barrel pro Tag liegen.


Gründe für die Spannungen:

  • Die VAE haben erheblich in Kapazitätsreserven investiert und drängen auf deren Nutzung. Doch Saudi-Arabien zielt darauf ab, die Ölpreise durch Produktionskürzungen zu stützen.


Preisentwicklung und Marktprognosen

Der Brent-Preis liegt derzeit bei $IOIL00 (+0,51 %) ,  was ein Rückgang von ca. 18% gegenüber dem Höchststand im Juli 2024. Der Preis für US-amerikanisches WTI-Öl $CRUD (-1,31 %) bewegen sich in einem ähnlichen Bereich.


Prognosen

  • $C (+0,59 %) hat die Prognose nach oben korrigiert und sieht ein optimistisches Szenario von 60-65 USD pro Barrel für Ende 2024 und Anfang 2025.
  • $JPM (+1,21 %) prognostiziert einen durchschnittlichen Brent-Ölpreis von 84 USD pro Barrel für 2024. Für 2025 erwartet JPMorgan einen durchschnittlichen Preis von 75 USD pro Barrel
  • $GS (+1,09 %) hat seine Prognose für 2024 auf durchschnittlich 81 USD pro Barrel für Brent-Öl gesenkt.


Langfristige Perspektiven

Die US Energy Information Administration (EIA) prognostiziert einen durchschnittlichen Brent-Preis von 61 USD pro Barrel für 2025 und 73 USD pro Barrel für 2030.


Auswirkungen auf die Produzentenländer

Saudi-Arabien:

  • Saudi-Arabien benötigt hohe Ölpreise, um seinen Haushalt auszugleichen. Laut Prognosen liegt der Schwellenwert aktuell bei etwa 96 USD pro Barrel, deutlich über den aktuellen Marktpreisen. Diese Abhängigkeit zeigt sich besonders bei Megaprojekten wie Neom City und der Vision 2030, die auf stabile Einnahmen angewiesen sind. Zusätzlich erfordert die Ausrichtung, wie der Fußball-WM 2034 und der Expo 2030 massive Haushaltsmittel.
  • Trotz dieser Voraussetzungen gibt es Anzeichen für eine mögliche Strategieänderung. Saudi-Arabien könnte sein bisheriges Ziel eines Ölpreises von 100 USD pro Barrel aufgeben, um Marktanteile zurückzugewinnen. Dies könnte jedoch niedrigere Ölpreise bedeuten, was die Finanzierung von Projekte erschweren und die Haushaltsstabilität zusätzlich belasten würde.


Russland:

  •  Öl spielt eine zentrale Rolle bei der Finanzierung des Krieges in der Ukraine. Im Jahr 2024 soll fast ein Drittel des russischen Staatshaushalts für Militärausgaben verwendet werden, was etwa 111 Milliarden Euro entspricht. Der Kreml finanziert diese hohen Ausgaben durch Umschichtungen im Haushalt und setzt stark auf Öleinnahmen, um den Krieg zu finanzieren.
  • Westliche Sanktionen haben die russischen Ölexporte zwar beeinträchtigt, doch Russland hat Wege gefunden, diese teilweise zu umgehen, wie ich bereits in einem anderen Report erklärt habe (Link in den Kommentaren). Eine Schattenflotte von Öltankern ermöglicht es, trotz Sanktionen weiterhin Öl zu exportieren. Allerdings sind die Einnahmen nicht mehr so hoch wie vor den Sanktionen, und niedrigere Ölpreise könnten Russlands finanzielle Möglichkeiten für den Krieg weiter einschränken.
  • Trotz der Sanktionen hat sich die russische Wirtschaft schneller als erwartet angepasst. Durch intensiveren Handel mit Ländern wie China und anderen nicht westlichen Staaten, die Umgehung des G7 Ölpreisdeckels und erhöhte Staatsausgaben für die Militärindustrie konnte Russland Gegenmaßnahmen ergreifen. Dennoch bleibt sie anfällig für Preisschwankungen auf dem globalen Ölmarkt und sieht sich einem akuten Arbeitskräftemangel gegenüber.
  • Die Verlängerung oder Verschärfung westlicher Sanktionen könnte Russlands Ölexporte und damit die Einnahmen erheblich weiter beeinträchtigen, was die wirtschaftliche Stabilität des Landes vor neue Herausforderungen stellen würde.


Iran:

  • Iran hat seine Ölexporte seit 2021 erheblich gesteigert, mit einem durchschnittlichen Export von 1,56 Millionen Barrel pro Tag in den ersten 3 Monaten des Jahres 2024 (der höchste Wert seit 6 Jahren). Diese Steigerung um 1,2 Millionen Barrel pro Tag seit 2021 ist angesichts des damals niedrigen Exportniveaus plausibel.
  • Mit dem Wahlsieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen 2024 steht der Iran jedoch vor einer möglichen neuen Sanktionsrunde. Trump plant eine Rückkehr zur Strategie des "maximalen Drucks", die während seiner früheren Amtszeit die Exporte des Iran drastisch von 2,5 Millionen auf nur 350.000 Barrel pro Tag innerhalb von 2 Jahren reduzierte.
  • Die Wiedereinführung solcher Sanktionen könnte den globalen Ölmarkt erheblich beeinflussen. Besonders Chinas Rolle ist hierbei entscheidend, da es in diesem Jahr mehr als 85% der iranischen Ölexporte aufnahm. Gleichzeitig hat der Iran seine Mechanismen zur Umgehung von Sanktionen verbessert, was die Effektivität neuer Maßnahmen mindern könnte. Insgesamt könnten erneute Sanktionen zu einer Destabilisierung des Ölmarktes führen, doch das genaue Ausmaß bleibt schwer vorhersehbar, da der Iran seine Fähigkeit, Handelswege aufrechtzuerhalten, deutlich ausgebaut hat.


Langfristige Herausforderungen und Chancen

Energiewende und Dekarbonisierung


  • Europa: Fördert Investitionen in erneuerbare Energien und reduziert den Ölverbrauch.
  • China: Investiert massiv in Elektromobilität, was die Ölnachfrage langfristig


Technologische Innovationen

  • Länder wie die USA setzen auf Technologien zur Steigerung der Ölgewinnung aus Schieferölvorkommen.
  • Dies könnte die Produktionskosten senken und die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.


Rolle der OPEC+ in der Zukunft

  • Die langfristige Koordination innerhalb der OPEC+ wird schwieriger, da nationale Interessen zunehmend divergieren.
  • Eine mögliche Spaltung der Allianz ist nicht ausgeschlossen, falls Länder wie die VAE und Russland ihre Eigeninteressen stärker durchsetzen.


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