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Aktien, Bargeld und irrtümlich verwendete Termini bezüglich Brokerpleiten


Hallo liebe Community,


in meinem Feed ist mir gerade ein Post angezeigt indem es um das Thema Einlagensicherung ging. Natürlich fiel in den Kommentaren auch über der Begriff Sondervermögen. Da dieser Begriff sehr oft irrtümlich verwendet wird und besonders Einsteiger auch gerne mal mit der Sache der Einlagensicherung
durcheinanderkommen, möchte ich hier kurz und hoffentlich für jeden verständlich damit aufräumen.



Aktien und das Sondervermögen


Für viele mag es eine Überraschung sein, aber: Die Aktien in euren Depots sind kein Sondervermögen und sie sind es auch nie gewesen.


Sondervermögen ist ein Terminus aus dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), welcher in § 1 Abs. 10 KAGB legaldefiniert ist:


"Sondervermögen sind inländische Investmentvermögen in Vertragsform, die von einer Verwaltungsgesellschaft für Rechnung der Anleger nach Maßgabe dieses Gesetzes und den Anlagebedingungen, nach denen sich das Rechtsverhältnis der Verwaltungsgesellschaft zu den Anlegern bestimmt, verwaltet werden."


Gemäß § 1 Abs. 1 KAGB ist dieses Gesetz auf Investment- und Kapitalverwaltungsgesellschaften anwendbar. Banken die lediglich die Depots für ihre Kunden führen gehören nicht dazu.



Sollte sich jetzt jemand Sorgen machen so kann ich ihn beruhigen. Auch wenn eure Aktien kein Sondervermögen sind, so gehören sie trotzdem nicht zur Insolvenzmasse, sollte euer Broker pleitegehen.


Gemäß der EU-Verordnung 2019/2033 - ergänzt durch C(2021)6807 - ist es in der gesamten EU regulatorische Vorschrift, dass Banken sogenannte segregated accounts führen müssen. In dieser Verordnung sind die getrennten Konten in Art. 4 Abs. 1 Nr. 49 definiert:


"Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck „getrennte Konten“ [...] Konten bei Unternehmen, auf denen von einer Wertpapierfirma gehaltene Kundengelder [...] hinterlegt werden und für die das anwendbare nationale Recht vorsieht, dass die Kundengelder im Falle der Insolvenz oder des Beginns der Abwicklung oder Fremdverwaltung der Wertpapierfirma nicht zur Erfüllung von Forderungen gegenüber der Wertpapierfirma verwendet werden können [...]"


Dies bedeutet nichts anderes, als dass die Banken ihr eigenes Vermögen und das ihrer Kunden strikt trennen müssen. Ohne diese Trennung bekommt man keine Erlaubnis für den Geschäftsbetrieb.



Thema Einlagensicherung


Wie in den Kommentaren im o.g. Community-Post richtig gesagt wurde, haben Aktien natürlich nichts mit der Einlagensicherung zu tun. Aktien sind keine Einlagen sondern Anlagen!


Geregelt wird die Einlagensicherung im Einlagensicherungsgesetz (EinSiG) und betrifft gem. § 2 Abs. 3 EinSiG Bankguthaben, einschließlich Festgeld und Spareinlagen.


Gem. § 8 Abs. 1 EinSiG beträgt die gesetzlich verpflichtende Deckungssumme die den meisten bekannten 100.000 Euro.


Das Einlagensicherungssystem der Banken greift gem. § 10 Abs. 1 EinSiG dann, wenn die BaFin feststellt, dass:


"ein Kreditinstitut aus Gründen, die mit seiner Finanzlage unmittelbar zusammenhängen, vorerst nicht in der Lage ist, fällige Einlagen zurückzuzahlen, und gegenwärtig keine Aussicht besteht, dass das Kreditinstitut dazu zukünftig in der Lage sein wird."


Wenn eure Bank zahlungsunfähig ist, sind auch eure Bareinlagen natürlich nicht Teil der Insolvenzmasse. Wenn ihr allerdings auf einem Konto mehr Bargeld geparkt habt als besichert ist, kann es eben sein, dass ihr die über 100.000€ (kann je nach Zusatzeinrichtung auch mehr sein!) hinausgehenden Bareinlagen nie wieder seht. Daher wäre es natürlich sinnvoll, solltet ihr über Barmittel im sechsstelligen Bereich verfügen, wenn ihr diese Barmittel auf verschiedene Banken verteilt.



Die Anlegerentschädigung


Zum Abschluss möchte ich noch einen kurzen Ausflug zur weniger bekannten Anlegerentschädigung machen.


Im "schlimmsten" Fall vermischen Leute das Sondervermögen, die Einlagensicherung und die Anlegerentschädigung.


Wann die Anlegerentschädigung greift ist im Anlegerentschädigungsgesetz (AnlEntG) festgelegt.

§ 1 Abs. 4 AnlEntG besagt:


"Ein Entschädigungsfall [...] tritt ein, wenn die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht [...] feststellt, dass ein Institut aus Gründen, die mit seiner Finanzlage unmittelbar zusammenhängen, nicht in der Lage ist, Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften zu erfüllen und keine Aussicht auf eine spätere Erfüllung besteht."


Wer aufmerksam aufgepasst hat stellt fest: Hier steht exakt das gleiche wie bei der Einlagensicherung.


Was Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften sind wurde in § 1 Abs. 3 AnlEntG definiert:


"Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften [...] sind die Verpflichtungen eines Instituts zur Rückzahlung von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Hierzu gehören auch Ansprüche von Anlegern auf Herausgabe von Instrumenten, deren Eigentümer diese sind und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten oder verwahrt werden."


Die Höhe der Anlegerentschädigung ist bedeutend niedriger als bei der Einlagensicherung. Gemäß § 4 Abs. 2 AnlEntG beträgt die Entschädigung 90% eines Schadens, maximal aber 20.000 Euro!



Was passiert also, wenn meine Depotbank pleitegeht?


Man kann es für Wortklauberei halten, allerdings gibt es rechtlich einen gravierenden Unterschied zwischen Eigentum und Besitz.


Ihr seid die Eigentümer eurer Aktien, aber nicht die Besitzer.

Hier sei angemerkt, dass auch eure Bank nicht der Besitzer eurer Aktien ist. Der Besitzer eurer Aktien ist die Verwahrstelle bei der die Aktien hinterlegt sind.


Als Eigentümer habt ihr gem. § 985 BGB gegenüber dem Besitzer einen Herausgabeanspruch. Wenn alles normal läuft, macht ihr euren Eigentumsanspruch auf die Aktien gegenüber eurem Broker geltend und dieser leitet das an die Verwahrstelle weiter.

Im Falle einer Insolvenz ist dies i.d.R. nicht mehr möglich. Dann müsst ihr euch an den Insolvenzverwalter wenden, welcher veranlassen muss, dass ihr eure Aktien zu einer anderen Depotbank übertragen könnt.


Sollte eine Herausgabe der Aktien aus welchen Gründen auch immer nicht (mehr) möglich sein greift hier die Anlegerentschädigung.




Disclaimer: Dieser Post war natürlich keine Rechtsberatung und da dies juristisch eine unfassbar komplexe Materie ist, konnten wir hier natürlich nur an der Oberfläche kratzen. Daher kein Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit.


Ergänzend dazu noch ein paar nützliche Links:


BaFin - Sicherungssysteme für Kunden

KAGB - Kapitalanlagegesetzbuch (gesetze-im-internet.de)

EUR-Lex - 32019R2033 - EN - EUR-Lex (europa.eu)

EinSiG - Einlagensicherungsgesetz (gesetze-im-internet.de)

AnlEntG - Anlegerentschädigungsgesetz (gesetze-im-internet.de)


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6 Kommentare

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Kurze Rückfrage, habe ich irgendwelche zusätzlichen Risiken, wenn mein Broker Wertpapierleihe betreibt?
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@Divmann Gute Frage, ich mach mich mal schlau!
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Welche Gründe könnte es geben, dass die Herausgabe nicht möglich ist?
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@DonkeyInvestor Die BaFin nennt als Beispiel die Unterschlagung oder Veruntreuung der Wertpapiere durch das Finanzinstitut.
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Kriegst von mir an der Stelle mal nen @ccf für die Mühe, die du dir scheinbar gemacht hast, danke :)
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