Liebe Qins,
bei all den interessanten Grundsatzdiskussionen rund um Aktieninvestments: Dividenden vs. Growth, Einzelaktien vs. ETFs, B&H vs. Timing ist eine m.E. sehr interessante Anlageklasse bisher kaum beachtet: Gold.
Wenn dieses Thema überhaupt einmal aufkommt, geht es oft emotional her. Entweder Gold wird energisch kritisiert (Coiner, DivInvestoren) oder vehement verteidigt (Goldbugs). Ich will in meinem Beitrag für einen nüchternen Umgang mit dem Thema werben und die wichtigsten Argumente dafür sowie dagegen einmal genauer unter die Lupe nehmen.
1. Welche Gründe sprechen gegen Gold?
2. Was spricht dann noch für Gold?
3. Wie lässt sich in Gold investieren?
4. Fazit
1. Welche Gründe sprechen gegen Gold?
Kontra-Argument 1: Gold ist ein unproduktiver, nutzloser Stein.
Gold generiert kein Einkommen, keine Dividenden, kein Zinszahlungen. Klassische Bewertungsmodelle von produktiven Assets funktionieren nicht (Abdiskontierung künftiger Gewinne z.B.). Damit hat Gold aus Einkommenssicht keinen Wert.
Gold ist ein weitgehend nutzloses Metall: zu weich, zu selten, zu teuer. Nur 8,2% der jährlichen Goldproduktion fragt die Industrie nach. Der Rest wandert als Barren in Tresore oder als Schmuck an Menschen.
Kontra-Argument 2: Gold ist eine riskante Anlageklasse.
Goldbesitz war in D 1936-45, in GB 1966-71 und in USA 1933-73 verboten. Auch wenn es nicht wahrscheinlich ist und vorher eher andere Anlageklassen reguliert werden, so kann das wieder passieren.
Gold steht gerade in luftigen Höhen am Allzeithoch. Von Höchstständen fiel es 1980-82 um 52% und 2011-2015 um 42%. Solche Drawdowns gibt es zwar auch bei Aktien, aber…
Kontra-Argument 3: Gold hat ein schlechtes Chance-Risiko-Verhältnis.
Im Grunde bringt Gold die Rendite von Anleihen bei dem Risiko von Aktien. Ein Backtest der 50-Jahres-Performance von US Aktien, US Staatsanleihen und Gold zeigt, was damit gemeint ist:
Backtest 1973-2023:
US Stock Market: 10,2%pa, -51% maxDD
US Intermediate Treasury: 6,50%pa, -14% maxDD
Gold: 6,80%pa, -62% maxDD
2. Was spricht dann noch für Gold?
Pro-Argument 1: Gold ist ein guter Krisenschutz.
In Krisenzeiten steigt Gold oft und federt Verluste ab:
a. 1974: S&P500: -30%; Gold: +66%
b. 2002: S&P500: -23%; Gold: +26%
c. 2008: S&P500: -39%; Gold: +4%
d. 2022: S&P500: -19%; Gold: +0,5%.
Pro Argument 2: Gold ist ein sehr guter Diversifikator.
Gold ist nahezu unkorreliert zu Aktien und Anleihen. Deshalb verbessert die Beimischung von Gold das Chance-Risiko-Verhältnis von fast jedem Portfolio.
Im folgenden habe ich zwei Backtests gemacht mit einem Aktienportfolio und einem Aktien-Anleihen-Portfolio, dem ich Gold in verschiedenen Verhältnissen Gold beigemischt habe.
Backtest US Stocks, Gold 1973-2023 (=50 Jahre!)
100% Stocks 10,19%pa, -50,9% maxDD
90% Stocks, 10% Gold 10,32%pa, -45,4% maxDD
80% Stocks, 20% Gold 10,34%pa, -39,6% maxDD
70% Stocks, 30% Gold 10,24%pa, -33,5% maxDD
Backtest US Stocks, Bonds, Gold ab 1973
60% Stocks, 40% Bonds, 0% Gold 9,15%pa, -28,0% maxDD
55% Stocks, 35% Bonds, 10% Gold 9,29%pa, -24,5% maxDD
50% Stocks, 30% Bonds, 20% Gold 9,36%pa, -21,0% maxDD
50% Stocks, 25% Bonds, 25% Gold 9,46%pa, -21,4% maxDD
45% Stocks, 25% Bonds, 30% Gold 9,26%pa, -19,0% maxDD
Das optimale Beimischungsverhältnis von Gold zum Depot liegt somit bei 25-30%. Damit lässt sich in beiden Varianten die gleiche Rendite bei signifikant gesenktem Risiko erzielen. Die normalerweise empfohlenen 5%-10% haben keinen nennenswerten Effekt. Man kann nur raten, warum das trotzdem empfohlen wird.
Pro-Argument 3: Goldhandel ist in Deutschland steuerbefreit.
Steuerlich gilt Gold in D als Geld. Physischer Kauf von Gold ist umsatzsteuerfrei. Nach einem Jahr sind alle Gewinne auf physisches Gold oder entsprechende Zertifikate (Xetra Gold/ EuwaxII Gold) steuerfrei. Bei einer Gewichtung im Depot von 30% kann das durchaus signifikant werden!
Pro-Argument 4: Gold ist universelles Geld.
Alle Menschen verstehen Gold schon als Kind: es ist schön, es ist endlich, es ist nutzlos. Daher ist es seit über 5000 Jahren in allen Kulturen der Menschheit immer die ultimative Währung gewesen. Auch heute lässt sich Gold überall auf der Welt in lokale Währungen und Waren tauschen. Wer vor Krieg o.ä. flüchten muss, kann sich mit ein paar Gramm Gold ein neues Leben aufbauen.
Physisches Gold ist das einzige liquide handelbare Asset ohne Gegenparteien-Risiko. Es lässt sich als zinslose, ausfallsichere Anleihe mit unendlicher Laufzeit ansehen.
Bitcoin wird als digitales Gold bezeichnet, nicht umgekehrt Gold als analoges Bitcoin! Woher wohl das „Coin“ im Namen kommt? Allein dadurch lässt sich erahnen, was das Maß aller (Börsen-) Dinge ist.
3. Wie lässt sich in Gold investieren?
Anlageformen: Physisch und Papier
Im Wesentlichen gibt es zwei Möglichkeiten in Gold zu investieren: 1. physisches Gold in Form von Münzen, Barren, Schmuck. 2. Kauf von Anrechten auf physisches Gold in Form von Xetra Gold, Euwax II Gold (nur die beiden sind in D steuerfrei handelbar)
Nachteile von physischem Gold:
Lagerung. Es muss ein sicheres Versteck gefunden werden oder ein Tresor gekauft bzw. gemietet. Bei XetraGold kein Problem.
Sicherheit: Physisches Gold kann physisch entwendet werden. Etwa bei einem Einbruchdiebstahl oder während des physischen Handels. Letzteres lässt sich mit einem vertrauenswürdigen Goldhändler lösen, ist bei XetraGold aber grundsätzlich kein Problem.
Echtheit. Die Echtheit von physischem Gold muss von seriösen Händlern abgesichert sein. Bei XetraGold kein Problem.
Aufgeld. Die Spanne von An- und Verkaufspreis beträgt bei den verbreiteten Münzen meist 1-2%, kann in Krisenzeiten aber deutlich steigen. Bei XetraGold kein Problem.
Vorteile von physischem Gold:
Anonymität: Gold im privaten Besitz lässt sich quasi nicht nachweisen. Es ist damit ein Wertspeicher, der weitgehend dem Zugriff des Staates entzogen ist. Anders als ein Depot oder Konto oder XetraGold.
Lagerkosten: Die Lagerung von Gold kostet grundsätzlich nichts. Jede andere Anlageform hat Lagerkosten.
Transportabilität: Gold ist aufgrund seiner Wertdichte hoch transportabel. Die meisten Menschen dürften das Goldgewicht all ihres Vermögens (Bar, Aktien, Haus, Gemälde) ohne Probleme tragen können. Unmöglich bei XetraGold.
Zugriff: Im Falle einer ernsten Krise hat man unmittelbaren Zugriff auf einen Wertspeicher. Unerreichbarkeit des Brokers, geschlossene Banken lassen sich mit physischem Gold zumindest abfedern.
Ästhetik: Eine Goldmünze in PP oder ein Goldring ist einfach hübscher anzuschauen als ein Eintrag im Depot.
Anlagestrategien: Passiv und aktiv
Die optimale Anlageform hängt von der eigenen Anlagestrategie ab. Bei passiven Strategien (Buy-and-Hold) ist physisches Gold die beste Form, da dann keine laufenden Kosten anfallen (bietet kein anderes Asset). Bei einer aktiven Strategie eignet sich Papiergold, da hier ein schneller und günstiger Handel auch größerer Mengen möglich ist.
Buy-and-Hold bietet sich an, wenn man Gold als finanzielle Krisenversicherung oder Lebensversicherung ohne laufende Kosten versteht. Aktive Strategien bieten sich an, wenn man mit Timing versucht, die Portfolio-Performance zu verbessern. So steigt Gold tendenziell über dem 200-Tage-Durchschnitt oder bei fallender Zinsstrukturkurve. Gold folgt seit 1971/72 einem 8-Jahres-Dollarzyklus. Hätte man stets in dem investiert, wäre man auf ca. 17,5%pa gekommen. Oder: durch die Integration von Gold in GTAA verbessert sich die Rendite um bis zu 1%pa.
4. Fazit
Gold wird wohl immer Emotionen wecken. Es aber einmal ganz nüchtern als ein Asset unter vielen zu betrachten, kann sich lohnen. Als Beimischung (25-30%) kann Gold das Risiko des Portfolios dramatisch senken und zugleich eine Jahrtausende alte Versicherung gegen Krisen aller Art bieten.
Habe ich noch ein wichtiges Argument vergessen? Seid ihr anderer Meinung oder findet ihr Gold auch als Beimischung interessant? Ich freue mich auf eine angeregte Diskussion!
Nachtrag 1: Wenn Papiergold, dann Euwax2 Gold. Ist wie XetraGold steuerfrei, kostet aber keine TER! Danke für den Hinweis @InvestmentPapa justetf.com zeigt das falsch an.
Nachtrag 2: Der Backtest ist mit jährlichem Rebalancing, was bei physischem B&H schwierig werden kann. Danke für den Hinwe@DonkeyInvestor Wer aber ohnhin anspart, sollte das leicht lösen können. Je einen Backtest ohne Rebalancing und mit Sparplan kann mit zwei Klicks schnell jeder selbst vornehmen.
Link zum Backtesten:
